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Der verlorene Sohn von Tibet

Der verlorene Sohn von Tibet

Titel: Der verlorene Sohn von Tibet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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wird deine Freunde wegbringen, und du wirst ganz allein sein und nach ein paar Tagen sterben.« Dolans Lächeln schien aus Eis gemeißelt zu sein. »Falls dein Mordversuch dem Kaiser gegolten hätte, wärst du zur Strafe in tausend Stücke geschnitten worden. Du solltest dich glücklich schätzen.«
    »Die wissen doch gar nicht, wo der Schatz ist«, rief Ko. »Weiter als bis hierhin werden Sie nicht kommen.«
    Der Amerikaner gab einen Schuß ab, dann noch einen. Ko zuckte zurück und umklammerte mit schmerzverzerrter Miene seine Hand. Zwischen seinen Fingern quoll Blut hervor. Dennoch machte er einen Schritt nach vorn, als wolle er Dolan herausfordern.
    »Du weißt nicht das geringste über den Kaiser«, zischte der Amerikaner.
    Yao nahm ein Taschentuch und drückte es auf Kos Wunde. Die Kugel hatte seine Hand durchschlagen.
    Shan stellte sich vor die Mündung der Waffe.
    »Ich werde ihn töten«, sagte Dolan kalt. »Falls Sie versuchen, mich aufzuhalten, ist er sofort fällig, und ich erschieße ihn gleich hier. Sie haben die freie Auswahl, Shan. Soll er langsam in der Finsternis verrecken oder schnell vor den Augen seines Vaters sterben?«
    Ko sah seinem Vater ins Gesicht. In seinem Blick lag kein Flehen, nur unnachgiebiger Trotz.
    Shan wandte seinem Sohn den Rücken zu und stellte sich vor ihn. »Ich führe Sie zum Schatz des amban «, sagte Shan.
    Im Raum wurde es erneut totenstill.
    »Nein, verdammt!« fluchte Ko.
    »Sie werden mich hinbringen und mir dann helfen, alles einzupacken und nach Lhadrung zu schaffen«, verlangte Dolan erregt, und in seinen Augen loderte ein grausames Feuer auf.
    »Einverstanden.« Das Wort kam aus Shans Mund, aber er selbst hörte es wie aus weiter Ferne.
    »Du kennst den Weg nicht!« schrie Ko ihn von hinten an.
    »Doch, jetzt schon. Mr. Dolan hat ihn mir gezeigt.«
    »Ich hasse dich!« stöhnte Ko.
    Shan schloß kurz die Augen, drehte sich jedoch nicht um, denn er fürchtete den Blick seines Sohnes. »Aber nur, wenn Sie versprechen, dem Jungen nichts anzutun«, sagte er zu Dolan.
    »Bringen Sie mich zum Schatz, und ich werde ihm nicht weh tun.«
    »Er darf in sein Gefängnis zurückkehren. Es wird keine neue Anklage geben.«
    »Keine neue Anklage«, willigte Dolan mit siegreichem Grinsenein. »Statt dessen werden Sie zu diesem Oberst gehen und den Mord an Khan gestehen. Sie werden eine Aussage unterzeichnen, laut der Sie ihn gefesselt und kaltblütig erschossen haben, um sich für den Mord an Lodi und Punji zu rächen.«
    Shan senkte den Blick und nickte. Er wußte nicht, wie lange er zu Boden starrte, merkte aber plötzlich, daß alle ihn ansahen. Er trat auf den Korridor hinaus. »Sind Ihnen die Lichtstrahlen aufgefallen?« fragte er. Er konnte es nicht länger ertragen, Dolan ins Gesicht zu sehen. »Über den Türen auf dieser Ebene – und zwar nur auf dieser Ebene – sind die Segmente eines Regenbogens aufgemalt. Sie zeigen nach oben und fügen sich zu einem Kreis aus zahlreichen Regenbögen. Es heißt, wenn ein heiliger Mann stirbt, löst sein Körper sich in Licht auf, und seine Essenz steigt in einem Regenbogen gen Himmel. Nach oben.«
    »Wir wissen bereits, daß es noch eine Ebene gibt«, herrschte Dolan ihn an.
    »Über jeder Tür ist ein Segment«, fuhr Shan fort, »nur über einer nicht, nämlich der Tür zur Kammer des Abtes, gleich nebenan. Der Abt war der oberste Mönch, dem alle Regenbögen zustrebten, denn er wohnte am Himmelstor.«
    Alle außer Lokesh folgten ihm. Der alte Tibeter blieb bei Khans Leiche, die nun vor dem Regal am Boden lag. Behutsam säuberte er den Kopf des Mannes, schaute forschend in sein Haar und flüsterte die Todesriten. Eine der größten Ängste der Tibeter war, daß im Tod eine Kopfverletzung den Weg zum Schädeldach blockieren könnte, weil dort die Seele den Körper verließ.
    »Wir gehen zum Mittelpunkt des Universums«, sagte Shan zu Lokesh.
    Sein alter Freund hob bestätigend eine Hand, wandte den Blick aber nicht von dem Toten ab.
    Dolan machte einen Schritt auf Lokesh zu und schien ihm etwas befehlen zu wollen, doch dann zögerte er und starrte die Leiche an. Einen Moment lang wirkte er wieder so verstört wie vor einigen Minuten, als er aus dem Labyrinth aufgetaucht war. »Er ist erledigt, du Narr. Es ist nichts mehr da«, sagte Dolan seltsam wehleidig.
    »Nein«, sagte Lokesh. »Bei manchen findet man nach dem Tod mehr als zuvor im Leben«, stellte er in spitzem Tonfall fest.
    Dolan hob die Pistole, aber eher halbherzig und

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