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Der verlorene Sohn von Tibet

Der verlorene Sohn von Tibet

Titel: Der verlorene Sohn von Tibet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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die Shan bei der Zubereitung der Mahlzeit geholfen hatte und nun die Pfannen reinigte.
    »Bereit wofür?« fragte Shan.
    »Der Süden ist kein Ort für Fremde. Es ist ein beschwerlicher Ort voller Erinnerungen. Vor vielen hundert Jahren wurde dort eine gewaltige Schlacht geschlagen. Tausende von Soldaten sind gestorben, und keiner von ihnen war darauf vorbereitet. Niemand hat ihnen beim Übergang geholfen. Es sind wandernde Seelen. Tausende.«
    »Aber im Süden werde ich Lodis Clan finden«, sagte Shan. Niemand schien in der Lage zu sein, sich unmißverständlich über den Süden zu äußern. Alle sprachen in Rätseln.
    Die Frau runzelte die Stirn. »Falls ihr euch verirrt, gibt es keinen Ausweg.«
    »Unsinn«, sagte die alte Frau auf der anderen Seite des Feuers. Lokesh saß wieder neben ihr und gab ihr mehr Rosinen. »Man kann sich in diesen Bergen gar nicht wirklich verirren. Dies ist das Land des Erdtempels. Es gibt hier Orte, die sich von selbst Menschen suchen. Die richtigen Menschen.«
    Die Worte schienen Yao neue Entschlossenheit zu verleihen. Er verschwand im Halbdunkel und ging zu seinem Rucksack. Kurz darauf hallten laute Rufe durch die Stille, und er kam mit dem Rucksack wieder zum Vorschein. Sein Gesicht hatte sich in eine wütende Grimasse verwandelt. »Die haben mich bestohlen!« verkündete er. »Das Funkgerät und die Landkarte sind weg! Wir müssen alles durchsuchen!«
    Shan musterte Corbett, der am Feuer saß und in die Glut starrte. »Sie würden nichts finden«, sagte Shan.
    Yao fixierte ihn zornig. »Wieso nicht?«
    »Weil ich die Sachen genommen habe«, erklärte Shan ausdruckslos. »Ich habe sie weggeworfen und zerstört.«
    »Dafür wandern Sie wieder ins Gefängnis!« zischte Yao und schien mit dem Rucksack nach Shan schlagen zu wollen.
    Auf einmal stand Corbett zwischen ihnen und wandte sich an Shan. »Warum, zum Teufel, sagen Sie das?«
    Shan erwiderte seinen ruhigen Blick. »Weil keiner dieser Tibeter jemals einen Diebstahl begehen würde.«
    Corbett ließ den Blick über die erschrockenen Dorfbewohner schweifen, schaute reumütig zu Shan und schließlich zu Yao. »Er glaubt aus irgendeinem Grund, er müsse mich beschützen.«
    »Sie?« knurrte Yao.
    »Als wir getanzt haben, hat die alte Frau etwas zu mir gesagt«, erläuterte Corbett nun plötzlich sehr ernst. »Sie sagte, in diesen Bergen bekämpft man Dämonen oder wird selbst zu einem Dämon.«
    »Sie reden den gleichen Blödsinn wie diese Leute. Ich verlange mein Funkgerät und die Karte.«
    Der Amerikaner sah ihn lange an, bevor er antwortete. »Ich habe beides in die Schlucht geworfen. Es ist ein für allemal verloren.«
    »Warum?« fragte Yao tonlos und mit verzweifeltem Blick.
    »Weil Sie sich immer mehr zur Umkehr entschieden haben.«
    »Ohne dieses Funkgerät sind wir hilflos«, sagte Yao.
    »Sie haben Shan nicht richtig zugehört«, widersprach Corbett bekümmert. »Er hat die ganze Zeit versucht, uns zu erklären, daß wir mit dem Funkgerät hilflos sind. Ich bin mir nicht mehr sicher, auf wen Sie es abgesehen haben, aber ich weiß genau, wen ich erwischen will. Und mit Soldaten würden wir die Gottestöter niemals in die Finger bekommen.«

Kapitel Acht
    Eine Hand griff im Dunkeln nach Shan, eine kleine, zitternde Hand, die seinen Arm ertastete und daran zog. Es war sein Sohn, und sie gingen zu einem der heiligen Berge, um von dort aus den Sonnenaufgang zu verfolgen. Sie würden mit den Stengeln das Tao befragen, über die alten Verse sprechen und süße Reiskuchen essen, die Shans Großmutter gebacken hatte.
    »Aku Shan«, rief eine zaghafte Stimme, und die Hand zog erneut. »Onkel Shan, er ist tot.«
    Die Worte ließen ihn schlagartig erwachen. Er setzte sich auf. Er hatte auf einer Decke vor der Trauerhütte geschlafen. Die Hand und die Stimme gehörten zu Dawa, deren Gesicht er mitten in der Nacht kaum erkennen konnte. Hinter ihr stand einer der Jungen, die Yao und Corbett mit den Knochen malträtiert hatten, und hinter dem Jungen deutete sich am Horizont die erste Morgenröte an.
    »Wer ist tot?« fragte Shan, stand auf und schaute sich vorsichtig um. Corbett und Yao lagen unter dicken Filzdecken am Feuer, und die blinde Frau saß wie eine Wächterin zwischen ihnen. Aus der Hütte vernahm er den leisen monotonen Singsang, der verriet, daß Lokesh immer noch zu Lodi sprach.
    Dawa antwortete nicht, sondern zog ihn weg von der Hütte auf einen der Pfade, die zum Hauptweg nach Süden führten. Der ragyapa -Junge folgte

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