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Der verlorene Troll

Der verlorene Troll

Titel: Der verlorene Troll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Coleman Finlay
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Senken unterhalb des Pfades erspähte Made Häuser und Gehöfte. Einmal sahen sie einen kahlen, alten Mann mit gebeugten Schultern über eine Obstwiese gehen und die Stämme der Bäume umwickeln, sonst regte sich den ganzen Tag über nichts in der Landschaft.
    Und so war Made, der seine ganze Aufmerksamkeit auf den rutschigen, mit Steinen übersäten Pfad gerichtet hatte, ganz und gar nicht auf den Anblick gefasst, der sich ihm bot, als sie auf eine Bergkuppe kamen und durch den trostlosen, grauen Dunst die Stadt unter sich erblickten. Nichts, was er in seinem Leben je gesehen hatte, hätte ihn auf eine Siedlung dieser Größe vorbereiten können. Eine riesige Steinbrücke wölbte sich über einen breiten, reißenden Strom, dessen gegenüberliegendes Ufer von einer hohen Steinmauer begrenzt wurde. Dahinter erhob sich ein gewaltiges Gebäude mit einem polierten Kuppeldach, dessen Form an einen Flaschenkürbis erinnerte, das aber golden schimmerte wie der Rücken eines gigantischen Käfers. Dahinter ragte ein weiteres, massiges Gebäude auf, umgeben von einem runden See, dessen Wasser dunkel war wie der Himmel. Zwischen diesen beiden gigantischen Bauwerken lagen unzählige kleinere Häuser. Sie erstreckten sich am Fluss entlang und bis zum Horizont, zu viele, um sie zu zählen, um schmale Wege herum gruppiert wie Inseln in einem Sumpf, ihre braunen und roten Farben ganz trüb vor Nässe.
    Auf ihrer Seite des Flusses, teilweise von Hügeln verdeckt, standen deutlich weniger Häuser. Sie waren auf höhergelegenem Grund errichtet worden, ein gutes Stück vom Ufer entfernt, das auf dieser Seite nicht von Mauern eingefasst war. Ein großes Bauwerk ohne Dach ragte über den anderen auf, umgeben von einem Spinnennetz hölzerner Gestelle, die sich im Wind bogen und schwankten. Die wenigen Leute, die er sah, waren klein wie Ameisen in einem Ameisenhügel.
    Made vergaß zu atmen, bis er leise sagte: »Ich wusste nicht, dass es so viele Menschen auf der Welt gibt.«
    »Nur ungefähr fünfzehntausend in dieser Stadt«, sagte Bran. »Etwa vierzigtausend in der Provinz. Sie ist schnell gewachsen in den letzten zehn Jahren, durch das Ansehen des Barons und den Wohlstand der Baronin. Eine schlechte Ernte dieses Jahr wird für uns nicht gerade förderlich sein.«
    »Ist das die Kaiserliche Stadt?«, fragte Made, der sich an Brans Beschreibung der großen Stadt erinnerte.
    Bran lachte. »Natürlich nicht. Ich war einmal dort, um meinen Eid als Ritter in den Diensten der Kaiserin abzulegen. Die Kaiserliche Stadt ist viel größer. Es ist, als würdest du Damaquas Dorf mit dieser Stadt vergleichen.«
    Das Dorf kam Made nun in der Erinnerung klein und schäbig vor, dabei war es ihm damals riesig erschienen. »Wie ein Gebirge neben einem einzelnen Berg neben einem Hügel.«
    »Genau«, bekräftigte Bran. »Es gibt keinen Ort, von dem aus man die ganze Kaiserliche Stadt überblicken kann, zumindest nicht, wenn man wie ich damals von Osten kommt. Der Baron hat diese Stadt nach dem Vorbild der Kaiserlichen Stadt entworfen; Lady Sebius trägt das ihre dazu bei, indem sie die neuen öffentlichen Gebäude und ihren persönlichen Palast an diesem Ufer errichten lässt.«
    Made blinzelte in den Regen, Wassertropfen perlten über seine Wangen und tropften von seiner Stirn. Von lauten Donnerschlägen gejagt, flackerten und zuckten Blitze zwischen den Wolken.
    »Komm«, sagte Bran. »Wir wollen die Stadt lieber aus der Nähe betrachten und uns ein anständiges Dach über dem Kopf suchen.«
    Er führte sie auf einen schmalen Weg, der sich zwischen steilen Felshängen hinunterwand und immer wieder unvermittelte Kehren machte. Der Himmel, der den ganzen Tag über schon dunkel gewesen war, wurde von Sekunde zu Sekunde schwärzer, der Wind war wieder stärker geworden und pfiff in den engen Felsdurchgängen um sie herum. Bran beschleunigte seinen Schritt, bis sie fast rannten.
    Sie gingen um einen senkrechten Felshang herum und kamen in ein kleines Wäldchen. Plötzlich waren sie von einem Dutzend Soldaten umringt, die einen Wall aus Speeren um sie bildeten. Bran streckte die Hand aus und bedeutete Made, Ruhe zu bewahren.
    »Bei den zwei Göttern, ich fasse es nicht«, rief einer der Männer.
    Ein hochgewachsener, schlanker Jüngling mit samtener, brauner Haut und Haaren, so schwarz und dicht wie Mades, stolzierte um den Speerkreis herum - er hatte bei der Jagd den Speer geworfen.
    »Sieh an!«, grinste er. »Die Bauern kennen also doch diesen Weg in

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