Der verlorene Troll
das tun, was Sumukan tat, als Ganmagos starb. Ihr müsstet Euch umbringen und in die Unterwelt hinabsteigen, um ihn zu retten.« Ganmagos war danach unter die Lebenden zurückgekehrt und unsterblich geworden, Sumukan jedoch blieb auf ewig im Land der Toten gefangen. Der König schrieb ein berühmtes Klagelied, ehe er auf den hohen Berg stieg und gen Himmel sprang, um sich in den wandernden, roten Stern zu verwandeln.
»Sprecht deutlich«, sagte Yvon, der noch immer nicht begriff.
»Gruethrist ist tot.«
Yvon lachte gezwungen. »So tot wie ich?«
»Toter als Ihr.« Banyas Gesichtsausdruck änderte sich nicht, aber er wandte den Blick ab, wie immer, wenn er schlechte Nachrichten zu übermitteln hatte.
Yvons Brust zog sich zusammen. Er hatte Lord Tubat einst als einfacher Soldat gedient und war neben ihm gestanden als Schutzwall, um das Abschlachten der Jungfrauen beim Tempelaufstand während der letzten Thronfolge zu verhindern. Als die Kaiserin anbot, Lord Tubat dürfe sich seine Belohnung aussuchen, hatte er nur darum gebeten, dass seine einfachen Soldaten - die wenigen, die überlebt hatten - sich den Ritterzopf wachsen lassen durften. Die Kaiserin gewährte ihm diesen Wunsch und vermählte ihn noch dazu mit Lady Gruethrist. Ohne Lord Gruethrist wäre Yvon nur einer von vielen einfachen Soldaten geblieben. »Wie ist das passiert?«, fragte er.
»Es heißt, er sei in den brennenden Saal gerannt, um einigen seiner Ritter beizustehen, darunter auch Euch. Ihr dagegen wärt hineingerannt, um die Flammen zu löschen oder vielleicht um den Erben zu retten - beides habe ich gehört - und dann wurdet Ihr eingeschlossen, als das Dach einstürzte. Die Ritter verbrannten bis zur Unkenntlichkeit, aber man fand Gruethrists Leichnam unter einer teilweise eingestürzten Mauer; zerschmettert, aber vom Feuer unberührt.«
Jede andere Geschichte von Gruethrists Tod hätte Yvon als unwahr abgetan; sein Herr war abgebrüht genug, um das Heim seiner Herrin abzufackeln, aber er war seinen Männern immer treu ergeben und hätte jederzeit sein Leben für sie riskiert.
Der Zauberer sah Xaragitte in die Augen. »Als sie seinen Leichnam sah und annehmen musste, dass ihr Kind bereits tot war, versuchte Lady Gruethrist sich zu vergiften. Vor zwei Tagen lebte sie noch.«
»Sie starb in der Nacht«, sagte Xaragitte leise. »Nein, in der Nacht zuvor. Ich kann es gar nicht mehr so genau unterscheiden… Ich fühlte es, weil mein Band mit ihr durchtrennt wurde.«
Der Zauberer verstummte. »Mein Beileid.«
»Das ist die Amme des Kindes«, erklärte Yvon. Seine Hände und Füße fühlten sich taub an, als stünde er in tiefem Schnee. »Sie war durch einen Zauber mit Lady Gruethrist verbunden.«
Banya hob das Kinn und zeigte auf das Kind. »Dann ist das der Erbe!«
»Er war es. Nun ist er nicht mehr als ein armer Waisenjunge. Wäre er stattdessen ein Mädchen… « Yvon griff nach seinem fehlenden Zopf. Das ungeheure Ausmaß seiner Notlage betäubte ihn fast. Mutter und Vater des Kindes waren tot, und Baron Culufre hielt Burg und Tal besetzt. »Wird Eleuate uns helfen?«
»Nun, da die Herrin des Tals tot ist und ihr Gemahl auch?«, fragte Banya und schüttelte den Kopf. »Nein. Eleuate wird sich nicht mehr an das Eheversprechen ihrer Tochter Portia gebunden fühlen. Und ihr Mann gehört nun zu den Männern des Barons. Davon bin ich als jemand überzeugt, der ihm einst als Ritter diente und sein Herz kennt.«
Yvon schlug das Zeichen zur Fluchabwehr und berührte mit drei Fingern Stirn, Mund und Herz. Das hatte er seit Jahren nicht mehr getan. »Vielleicht sind wir verflucht?«
»Es ist Krieg«, sagte Banya. »Im Krieg geschehen schlimme Dinge.«
Xaragitte küsste den Kopf des Jungen, worauf dieser das Gesicht verzog und den Kopf wegdrehte. »Welchem Weg sollen wir folgen, Zauberer?«
Banya sah Xaragitte an, duckte sich in die niedrige Hütte und kehrte mit einem kleinen Beutel zurück. Er öffnete die Kordel.
Yvon sagte: »Nicht… «
»Doch, bitte«, unterbrach ihn Xaragitte.
Banya flüsterte etwas in das Säckchen und schüttelte es dann, das Ohr an die Öffnung gelegt. Von dem Klackern bekam Yvon eine Gänsehaut. Banya schüttelte es erneut und hielt Xaragitte den offenen Beutel entgegen. »Stellt Eure Frage.«
Sie beugte sich vor und flüsterte etwas in die Öffnung. Yvon mühte sich, ihre Worte zu hören, konnte aber nur den Namen des Jungen verstehen. Claye.
Banya kniete nieder, schüttelte den Beutel kräftig, drehte ihn
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