Der verlorene Troll
Zweige immer noch kahl waren. Auf einem der verlassenen Felder, die sie passierten, schreckten sie ein kleines Rudel Rehe auf. Yvon wünschte, er hätte einen Bogen. Es würde schwer sein, genug Nahrung zu finden, bis die Blütezeit kam. Wenigstens hatten sie die Ziege. Mit ihr würden sie irgendwie überleben können.
Er hatte erwartet, auf zahlreiche Höfe zu stoßen, doch sie waren alle verschwunden, wie die Familien, die sie gebaut hatten. So trotteten sie weiter und zwangen sich, einen Fuß vor den anderen zu setzen, Wegstunde um Wegstunde, ohne Pause, bis weit in den Nachmittag hinein. Plötzlich entdeckte Xaragitte an einem Hang vor ihnen einen dunklen Umriss. Sie deutete darauf, und Yvon sagte: »Vielleicht.« Er lief schneller, aber als sie näher kamen, sah er nur einen verkohlten, modrigen Holzhaufen vor sich.
Mit gerunzelter Stirn starrte Xaragitte darauf. Vielleicht dachte sie an das Feuer in der Burg. »Es hat wenigstens Mauern«, meinte sie. »Vielleicht sollten wir heute Nacht hier bleiben.«
»Nein«, sagte Yvon. Der Ort bereitete ihm Unbehagen. Die zerstörten Wände boten keinerlei Schutz vor entschlossenen Angreifern oder Tieren. »Wir folgen dem Weg und suchen in den kleinen Talsenken zwischen den Bergen, wie Banya es vorgeschlagen hat. Wir finden sicher noch etwas Besseres hier in der Nähe.«
Er führte sie über einen gewundenen Pfad und ging in jede kleine Schlucht, um zu prüfen, ob sie einmal bewohnt gewesen war. Aber obwohl sie an weiteren Obstgärten vorbeikamen, an Zaunstücken und einmal sogar an einem Pfluggestell, das ohne seine Klinge auf einem Stein lag, fand er nichts, was ihnen Unterschlupf hätte bieten können. Noch schlimmer war, dass sie seit dem Abendbrot im Soldatenlager kaum etwas gegessen hatten, und obwohl sie aus den klaren Bächen tranken, die aus den Bergen kamen, steigerte das kalte Wasser Yvons Hunger noch. Xaragitte beschwerte sich nicht, aber sie wurde langsamer und schlurfte blindlings auf müden Füßen dahin. Seit Banyas Hütte hatten sie mindestens zehn Wegstunden zurückgelegt. Yvon bezweifelte, dass sie je in einer Woche so viel gelaufen war wie in den vergangenen zwei Tagen.
Lange Schatten fielen von den Bäumen, wie Finger, die nach ihnen griffen. Yvon blieb neben Xaragitte, damit er sie auffangen konnte, falls sie stolperte. Erst fragte er sich, wie lange sie sich noch vorwärts zwingen konnte, dann faszinierte ihn wieder, wie hübsch sie war, trotz ihrer müden Füße und ihrer Erschöpfung.
Sie bemerkte, dass er sie anschaute: »Sir?«
Rasch wandte er den Blick ab. »Ja?«
»Würde es Euch etwas ausmachen, Claye eine Weile zu tragen?«
Sein Hals war wie zugeschnürt. »Ganz und gar nicht.«
»Ich kann dafür das Bündel nehmen.«
»Es ist wie eine Feder auf meinem Rücken.«
Das Tragetuch war umständlich anzulegen, und da Claye dabei strampelte und schrie, dauerte es eine Weile, bis Tuch und Kind einigermaßen bequem an seiner Schulter hingen. Jedesmal, wenn Claye die Beine ausstreckte, bohrte sich der Knoten des Tuchs schmerzhaft in Yvons Schlüsselbein. Irgendwann griff Yvon zwischen die Falten des Tuchs und kitzelte Claye. Der Junge krümmte sich kichernd, woraufhin Xaragitte lachen musste, und so kitzelte Yvon ihn noch ein paar Mal. Claye griff nach Yvons Bart und zog daran.
»He!«, sagte Yvon, löste seine Haare aus den Fingern des Kindes und strich ihm mit dem Bart über das Kinn.
Xaragitte lachte ihn an. Dann sang sie:
»Kind, tu Papas Haar nicht krausen
Schlangen könnten darin hausen.«
Yvon musterte sie von der Seite aus, um zu sehen, ob sie ihm mit diesem unschuldigen alten Reim etwas Bestimmtes sagen wollte. Aber ihre Miene verriet nichts. Die Sonne kauerte tief am westlichen Himmel, Xaragitte schaute zu ihr empor, und ihr Lächeln schwand mit dem Licht. »Bald werde ich nicht mehr weiter können.«
Ein Wind aus Südwesten raschelte in den Baumwipfeln, und der zerklüftete Keil einer dunklen Wolke jagte hinter ihm über den Himmel. Regen kam. Yvon deutete auf eine Spalte zwischen zwei Hügeln vor ihnen, ein dunkler Schatten in der Dämmerung. »Wenn wir dort nichts finden, baue ich uns aus Ästen einen Unterschlupf für die Nacht.«
»Ich weiß, dass Ihr Euer Bestes tun werdet.«
Eine weitere Nacht ohne Schlaf, um Wache zu halten, könnte er gerade noch überstehen. Während sie über den letzten steinigen Berg kletterten, bereitete er sich innerlich bereits darauf vor, Zweige zurechtzu schneiden. Bei Verloghs
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