Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der verlorene Troll

Der verlorene Troll

Titel: Der verlorene Troll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Coleman Finlay
Vom Netzwerk:
wir nicht von der Sonne erwischt werden wollen.«
    Windy sah auf - er hatte Recht. Als sie über den hohen Bergkamm eilten, konnte sie schon die Morgendämmerung in der Luft riechen. Sie machten kurz auf der Wiese Rast und tranken aus dem übervollen Teich. Der Geruch des Löwen stieg ihr in die Nase. Offenbar hatte er in der Nacht zuvor ebenfalls dort getrunken. Sie beschloss, ihm die Schuld am Tod ihrer Tochter zu geben. Dann schaute sie auf das Kind in ihrem Arm.
    Es wird alles gut, sagte sie sich. Ambrosius lässt mich das Kind behalten.
    Sie würden in die Berge zurückkehren, zu den heißen Quellen und dem leckeren Duft des Schwefels, weit weg von allen Menschen. Alles würde so werden wie früher.
    »Wir sollten das Tal verlassen«, sagte sie und dachte an ihre Mutter. »Wir sollten zurück nach Hause gehen.«
    »Nicht, ehe die Birnen reif sind«, sagte Ambrosius. Er hatte es eilig, sich ins Dunkle zurückzuziehen, und schob hastig das Gestrüpp beiseite. Nachdem er seine riesige Gestalt durch den engen Spalt in die Höhle gezwängt hatte, rollte er sich auf den Rücken und rieb sich den großen, runden Bauch. »Sämtliche Bäume voller Birnen, und keiner da, um sie zu essen, außer uns. Das lasse ich mir nicht entgehen! Zuhause gibt es bestimmt keine Birnen!«
    »Das dauert noch.« Sie zwängte sich nach ihm in die Höhle. Es war noch nicht einmal Frühling; die Bäume trugen noch keine Blüten. »Und was essen wir bis dahin?«
    Er zeigte grinsend seine Zähne. »Ich weiß ja nicht, wie es mit dir ist, aber ich hätte Appetit auf eine kleine Made.«
    Sie drehte ihm den Rücken zu und schlang die Arme um das schlafende Kind.

Kapitel 8

    Du wirst es doch nicht etwa behalten, oder?«
    »Ihn, Mutter, nicht es«, erwiderte Windy, den Mund voller Brombeeren. Ihre langen Finger schlangen sich um die Zweige und streiften eine weitere Handvoll der reifen Beeren ab. Ihre Mutter tat dasselbe. Im Mondlicht hob sich das flaumige, weiße Haar der älteren Trollin deutlich von ihrer grauen Haut ab. »Ja«, sagte Windy, »ich werde ihn behalten.«
    »Wir haben die Geschichten gehört, die Donner erzählte, als er letztes Jahr ins Menschental hinunterging, aber ich habe ihm nicht geglaubt. Und dann, schließlich, bist du zurückgekehrt und hast es mitgebracht.« Sie runzelte die Stirn.
    Windy schaute über das Moor. Ihr kleiner Junge spielte mit zwei kleinen Mädchen im Gestrüpp, beide ungefähr so alt wie er - etwa fünf Winter - aber zweimal so groß. Manchmal konnte sie es selbst kaum glauben.
    »Du warst zu viele Winter weg«, sagte ihre Mutter tadelnd. »Auch wenn du dich geschämt hast.«
    »Ich habe mich nicht geschämt.« Sie schob sich die Brombeeren in den Mund und kaute. »Wir wollten in diesem ersten Winter ja zurückkommen, aber der Kleine… «
    »Made«, unterbrach sie ihre Mutter.
    Sie schluckte. »So nennt ihn Ambrosius.«
    »Ich weiß. Das erzählt er überall, aber wir haben es schon von Donner gehört. Und wie nennst du ihn?«
    Windy hatte das Kind fast ein Jahr lang beim Namen ihrer Tochter gerufen, aber der Junge hatte nie darauf reagiert, vielleicht weil sie es ihm nur im Schlaf zugeflüstert hatte. Und da Ambrosius ihn dauernd Made nannte, hörte der Junge schließlich nur noch darauf.
    Sie seufzte. »Made.«
    Aus der Kehle ihrer Mutter drang ein dumpfes Knurren. Sie pflückte eine Beere nach der anderen von den Zweigen und füllte ihre gewölbte Hand. »Einundvierzig, zweiundvierzig, dreiundvierzig. Ich kann immer noch um einiges weiter zählen als alle anderen. Und schneller auch. Ha! Also, was war mit diesem ersten Winter?«
    »Es war schrecklich.« Windy hätte gerne erklärt, wie sie versucht hatte, Ambrosius zu verlassen, aber nie einen günstigen Moment fand, um sich unbemerkt davonzuschleichen. »Es war einfach schrecklich.«
    »Warum?«
    »Bevor der Winter überhaupt angebrochen war, begann der Kleine furchtbar zu frieren. Seine Haut wurde nachts blau, und er zitterte vor Kälte.« Sie schauderte. Der Winter war zu einem Sommer erblüht, ehe sie den Mut fand, ihr zartes Kind hinauf zu den eisigen Berggipfeln zu bringen. Während sie Nacht für Nacht nach Essen jagten und sich wieder Speck anfraßen, verdorrte der Sommer wieder zu einem Winter. Ehe sie sich versah, waren vier Jahre vergangen - so schnell wie eine Mittsommernacht. »Deshalb sind wir unten in den wärmeren Tälern geblieben.«
    »Du hättest es sterben lassen sollen.«
    »Ihn, Mutter.«
    »Nein. Es.«
    Andere Trolle schoben nun

Weitere Kostenlose Bücher