Der verlorene Troll
haben wollte.
In der Zeltreihe gegenüber wurde eine weitere Klappe aufgeschlagen und enthüllte die Gestalt des Jungen, der den Speer geworfen hatte. Seine Augen wurden groß, dann schrie er auf und fuchtelte mit den Armen.
Made sah der Frau hastig in die Augen, zeigte seine Zunge und schüttelte den Kopf. Sie konnte den Pelz behalten. Dann rannte er trotz der Schmerzen im Unterleib los, zum Haupttor diesmal, weil er in diesem Zustand nicht über den Zaun klettern konnte. Hinter einer Wand aus Zelten und Dunkelheit rannten Männer in entgegengesetzter Richtung an ihm vorbei.
Nur ein Wachposten bewachte das Tor. Mit schmerzverzerrtem Gesicht hob Made die Faust, um sich den Weg notfalls mit Gewalt freizukämpfen, aber nachdem der Wachposten einen Blick auf ihn geworfen hatte, warf er den Speer weg und floh schreiend in die Nacht.
Made folgte ihm. Als er den Mann überholte, schlug dieser die Hände vors Gesicht und sank heulend zu Boden.
Eingehüllt in die Dunkelheit rannte Made weiter, bis das Stechen in seinen Lenden nachließ. Nur der Schmerz in seinem Herzen wollte nicht vergehen. Immer weiter rannte er die Hügel hinauf, zu den baumbewachsenen Hängen der Berge. Tränen strömten ihm aus den Augen.
Der Mond folgte ihm, etwas mehr als halb voll, inmitten eines dunstigen Lichtflecks thronend.
Regen kam.
Kapitel 13
Made rannte, bis er erschöpft von Baum zu Baum torkelte, auf der Suche nach einem Versteck, wo er vor der aufsteigenden Sonne Schutz suchen konnte. Der Hang war gespickt mit großen, moosbewachsenen Steinen und von einem Dickicht aus Nussbäumen und Beerenbüschen bedeckt. Der Geruch duftender Frühlingserde und grüner Feuchtigkeit lag in der Luft. Ein guter Ort für Trolle. Er war vor dem Leben eines Troll geflohen, um ein Mensch zu werden. Nun jedoch kehrte er zu den Trollgewohnheiten zurück und suchte im Schutz der Berge nach einem Unterschlupf, in der Hoffnung, das Loch zu finden, in dem er das hohle Holzscheit versteckt hatte.
Dabei entdeckte er in einer Kuhle eine Erhebung, eine Art Bau, von dicken Reben und Sträuchern überwuchert. Hickorynussbäume ragten schützend darüber. Made kletterte den Hang hinab, um sich die Höhle näher anzusehen.
Er packte die Ranken und zog sich auf den kleinen Hügel hinauf. Der Bau war aus Baumstämmen, wie die Palisade des Lagers, allerdings waren diese Stämme nicht nebeneinander, sondern aufeinander gestapelt. Eine Wand und ein Teil des schützenden Dachs waren eingestürzt, aber ein umgestürzter Baum lag über dem Loch und stützte mit seinen toten Zweigen eine dicke Schicht aus Ästen und braunen Blättern. Nachdem Made einige Stämme beiseite gezerrt hatte, offenbarte sich ein geräumiges Versteck. Er kletterte hinein. Die Höhle erstreckte sich fast über die gesamte Länge der Anhöhe. An manchen Stellen konnte er sogar aufrecht stehen. Ein guter Platz, um sich den Tag über zu verstecken. Um zu entscheiden, wohin er gehen und was er als nächstes tun sollte.
Er kauerte sich in der dunkelsten Ecke nieder, kniff die Augen zusammen und versuchte, die Frau zu vergessen, aber eine Pein in seinem Herzen, weit schlimmer als der Schmerz in seinen Lenden, ließ ihn sich unruhig hin und her wälzen und hielt ihn wach.
Tageslicht vertrieb den Nachthimmel.
Made rollte sich herum und streckte seine müden Glieder. Staubiges Sonnenlicht drang in den Raum und schien auf die verstreuten Knochen von vermutlich zwei Menschen. Daneben ein winziger, zerborstener Schädel, der eindeutig einem Troll gehört hatte. Made schoss in die Höhe.
Die Knochen lagen zum Teil unter einem Balken, an der Stelle, wo das Dach eingestürzt war. Er stemmte die Schulter gegen das modrige Holz und schob es beiseite. Blätter und Staub prasselten auf ihn herab. Ein kleines Erdhörnchen mit einem Streifen am Rücken huschte über Mades Fuß und floh zurück in den sicheren Schutz der eingestürzten Wand.
Die Knochen eines Trollkinds kuschelten sich an ein menschliches Skelett. Ein Troll und ein Mensch, nebeneinander.
Es verstörte ihn, dass Licht auf die Knochen dieses Kindes fiel und seine Seele davon abhielt, ihren Weg in die tröstende Dunkelheit zu finden. Er sah sich um - dieses Loch war nur eine armselige Nachahmung einer Höhle. Irgendwann würde es einstürzen, und dann wären die Knochen womöglich gänzlich der Sonne ausgesetzt.
Er stocherte mit den Fingern im Dreck und lockerte eine dünne Schicht aus modernden Blättern und toten Ranken. Der Boden darunter
Weitere Kostenlose Bücher