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Der verlorene Ursprung

Der verlorene Ursprung

Titel: Der verlorene Ursprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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dem der vollendeten Tätigkeit, also des Perfekts. Diese entsprechen wiederum dem zweiten und dritten Tocapu im Text, und so geht es weiter. Beim Lesen der Tafeln ist mir besonders aufgefallen, daß die Botschaft ausschließlich mit Tocapus bildlichen und symbolischen Inhalts geschrieben wurde. Kein einziges stellt ein Lautzeichen für einen phonetischen Buchstaben oder eine phonetische Silbe dar. Die Botschaft wurde offenbar mit der Absicht verfaßt, sie an der Wand bildlich darstellen zu können. Schauen Sie sich nur mal dieses Männchen an, das mit einem kleinen Hammer und einem zierlichen Meißel eine Platte bearbeitet. Das Tocapu davor ist die Wurzel des Verbs >schreiben<.«
    »Das hieße also«, sagte ich, ohne stehenzubleiben, »die Yatiri hinterlassen eine Nachricht, die man in kürzester Zeit übersetzen oder zumindest verstehen kann. Sie gehen davon aus, daß sie ihr Einladungsschreiben an Leute richten, die weder ihre Sprache noch ihre Schrift beherrschen. Soweit bestens durchdacht. Was aber, wenn die Konquistadoren bis hierher vorgedrungen wären? Stellt euch nur mal einen Augenblick vor, Pizarro und seine Leute kämen hier hereingeritten. Glaubt ihr wirklich, die hätten gemerkt, daß die Zeichnungen eine Art lithographisches Lehrbuch sind?«
    »Das bezweifle ich sehr, Señor Queralt«, antwortete Marta Torrent, die wie ich von den einzigartigen Darstellungen an der Wand begeistert war. »Vor allem deswegen, weil die Yatiri sich große Mühe gegeben haben, diesen Ort zu verstecken. Ich muß Sie ja wohl nicht daran erinnern, was wir alles durchgemacht haben, um hierherzugelangen. Aber selbst wenn Pizarro in diese Kammer eingedrungen wäre - was er zum Glück nicht ist, denn dann wäre von alldem hier nichts mehr übrig -, er wäre außerstande gewesen, das zu verstehen. Er war nämlich Analphabet, mit Buchstaben konnte er nichts anfangen. Und sein Heer aus Gaunern und Abenteurern ebensowenig, wie Sie sich wohl denken können. Vielleicht hätte ein Priester, der die lateinische Sprache beherrschte, den Sinn der Zeichen verstanden. Aber er wäre ohnehin zu spät gekommen. Das ganze Gold hier wäre dann bereits fortgeschafft und zu Goldbarren eingeschmolzen gewesen, um nach Spanien verschifft zu werden. Er hätte also weder die Einladungen an der Wand vorgefunden noch die Tafel dort drüben mit der Landkarte, die wir uns noch gar nicht angesehen haben.«
    Wie Aufziehpuppen machten wir alle gleichzeitig kehrt und marschierten zurück zu den Sarkophagen, bis wir die von der Doctora erwähnte Tafel erreicht hatten.
    »Hör mal, Proxi«, sagte ich und legte ihr einen Arm um die Schultern. »Warum machst du nicht mal ein Foto von unserem Señor Dose Capaca und dieser Landkarte hier?«
    »Die Karte, okay, aber mir ist nicht wohl bei dem Gedanken, den Giganten zu fotografieren. Das Licht könnte ihm schaden. In Museen darf man das ja auch nicht.«
    »Aber doch nur, damit man sich am Ausgang die Postkarten kauft!« rief Jabba.
    »Nein, Marc, nein«, schaltete sich die Doctora rasch ein. »Lola hat recht. Das gebündelte Licht des Blitzes könnte die chemischen Eigenschaften der Mumie verändern und einen biologischen Zerfallsprozeß auslösen. Ich möchte Sie sogar darum bitten, den Deckel wieder auf den Sarg zu heben, damit der Sauerstoff dem Reisenden nicht etwa schadet.«
    »Apropos Sauerstoff«, sagte ich, während ich Jabba beim Ellbogen faßte und zum Sarkophag mitzog, um der indirekten Anweisung Folge zu leisten. »Warum riecht es hier eigentlich nach Benzin? Ist euch das nicht aufgefallen?«
    »Keine Sorge, Señor Queralt. Dafür gibt es eine logische Erklärung. Beim Mumifizieren, wie man es in dieser Gegend Südamerikas praktizierte, benutzte man große Mengen Teer, ein bei der Öldestillation gewonnenes Nebenprodukt. Außerdem verwendete man verschiedene Harzsorten. Sie wurden mit Teer vermischt und geräuchert und entfalteten ebenfalls einen starken Geruch nach Benzin, auch noch nach Hunderten von Jahren.«
    »Nach Tausenden von Jahren, Doctora«, stieß Jabba keuchend hervor, während wir gemeinsam den Deckel wieder auf den Sarkophag hievten. »Denn so viele stecken diesem Capaca in den Knochen.«
    Unterdessen fotografierte Proxi die sonderbare, in die zweite Goldtafel eingravierte Landkarte.
    »Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll, Marc«, murmelte Marta Torrent, »ich bin keine Bioarchäologin, und mein Wissen über Mumifizierung beschränkt sich auf die in Peru zur Zeit der Inka praktizierten

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