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Der verlorene Ursprung

Der verlorene Ursprung

Titel: Der verlorene Ursprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Hosenbein kratzten.
    »Mist! Was ist das?« rief ich aus, und während ich mühsam durch den Nebel hindurch zu erkennen versuchte, was zum Teufel da auf meinem Körper herumtrampelte, schoß mir Adrenalin in heftigen Schüben durch die Adern.
    Von dem Baumstamm, an dem ich die Enden meiner Hängematte festgeknüpft hatte, starrte mich unter einem Panzer hervor ein Augenpaar an: eine Riesenechse, prächtig gemustert in Grün, Braun und Gelb lag dort, länger als mein Arm, reglos auf der Lauer. Den seltsam gespaltenen Schwanz hatte sie aufgestellt, und ihr Kamm, groß wie ein Fächer, war bedrohlich geschwollen.
    »Verlassen Sie ganz langsam Ihre Hängematte, Arnau«, sagte Gertrude.
    »Wie langsam?« fragte ich, ohne mich zu rühren.
    »So als hätten Sie alle Knochen gebrochen.«
    »Verstehe. Tut mir eh alles weh.«
    »Ist der giftig oder so was in der Art?« fragte Lola ängstlich, während ich mich mühsam Millimeter für Millimeter, ohne zu wackeln, aus der Hängematte hangelte, bis ich auf dem Boden landete.
    »Nein, eigentlich nicht«, sagte Gertrude belustigt. »Diese Geckos oder Amazonasechsen sind vollkommen harmlos.«
    Ich kam mir vor wie ein Trottel, daß ich darauf hereingefallen und in einer völlig unmöglichen Haltung aus meiner Hängematte geklettert war. Doch mit den Füßen sicher auf dem Boden, konnte ich auch wieder lachen, und mein Puls normalisierte sich. Bei meiner Landung auf der Erde war das arme Tier hochgeschreckt und den Stamm hinauf davongeflitzt.
    »Habt ihr bemerkt, daß er zwei Schwänze hat?« fragte Efrain, der das Feuer wieder anzündete, um Frühstück zu machen.
    »Einfach gräßlich!« rief Lola.
    »Diese Geckos haben zwei Schwänze«, erklärte uns der Archäologe, während Marta das Wasser zum Kochen aufsetzte, »denn sie fallen ihnen sehr leicht ab, und da ihnen dann gleich ein neuer nachwächst, bewirkt jeder kleine Schnitt, jede Schramme am ersten Schwanz sofort, daß ein zweiter wächst.«
    »Wie ekelig, also bitte!« Lola schrie fast. »Können wir nicht endlich das Thema wechseln?«
    »Na, der Tag fängt ja gut an«, seufzte ich.
    Marc kaute schon auf seinen Haferkeksen mit Schokolade herum. »Also, ich fand ihn hübsch. Ich hätte gerne ein Foto gemacht, um ihn als Hintergrundbild auf den Computer im Büro zu laden.«
    Wir hatten unsere Digitalkameras mitgenommen, und Efrain hatte seine ebenfalls dabei, doch hätte auch nur einer seine aus dem Rucksack hervorgekramt, um Jabba, diesem Megawurm, den perversen Wunsch zu erfüllen, ich hätte ihm glatt den Hals umgedreht. Die Kameras waren schließlich dafür gedacht, unsere Begegnung mit den Yatiri festzuhalten und nicht abstoßende Tiere zu knipsen. »Du bist wohl nicht ganz richtig im Kopf«, sagte ich verächtlich zu Marc. »Der Gecko hätte auf deinen Beinen schlafen sollen. Ich würde zu gern dein Gesicht sehen, wenn du morgens deinen Computer hochfährst.«
    »Ich bewahre mir immer eine schöne Erinnerung an alle, die mit mir das Bett geteilt haben«, scherzte er.
    »Er meint mich«, stellte Lola mit einem gelangweilten Seufzer klar.
    An dem Tag schafften wir eine ordentliche Strecke, so daß wir insgesamt auf dreiundzwanzig Kilometer kamen. Der Muskelkater verschwand beim Laufen, und die Hände bekamen Schwielen anstatt der schmerzhaften Blasen. Meine Nägel waren schmutzig und eingerissen, und der mit Schweiß vermischte Lehm färbte meine Haut bräunlich, eine Farbe, die sich mit dem Wasser der namenlosen Flüsse und Tümpel, auf die wir unterwegs stießen, nicht mehr abwaschen ließ. Auch die geschwollenen Füße in den Stiefeln spürte man nicht mehr oder das unmenschliche Gewicht der Rucksäcke im Kreuz und auf den Schultern. Man gewöhnt sich eben an alles.
    Am Samstag trennten uns nach unseren Berechnungen nur noch wenige Tage von unserem Ziel - inzwischen hatten wir mehr als sechzig Kilometer zurückgelegt. Wir befanden uns auf unerforschtem Terrain, und die Landschaft veränderte sich auf wundersame Weise: Die Bäume wurden sehr viel größer und erreichten Höhen von dreißig, fünfunddreißig Metern, wo sie ein nahezu undurchlässiges Dach bildeten. Wir mußten unseren Weg in beklemmendem Dämmerlicht fortsetzen. Es war rundum kalt und finster, ohne jede Spur von Leben. Nur die Klettergewächse, Lianen und Schlingpflanzen gediehen so üppig, daß die Baumstämme kaum noch zu erkennen waren, obwohl manche mit mehr als drei Metern Durchmesser wahre Dschungelriesen waren. Die Blumen verschwanden, und zurück

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