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Der verlorene Ursprung

Der verlorene Ursprung

Titel: Der verlorene Ursprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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wies. Alle diese Fakten ließen nur zwei Schlüsse zu. Entweder waren diese Kerle echte Yatiri, wenn auch wieder in die Barbarei zurückgefallen und verroht, ähnlich wie die Schülergruppe in William Goldings Der Herr der Fliegen. Oder man brachte uns zu den Yatiri. Das heißt, wir hatten erreicht, was wir wollten, wenn wir es uns auch weder auf diese Weise noch in diesem Augenblick erträumt hatten.
    »Hören Sie«, faßte Efrain sich ein Herz, wohl um uns Mut zu machen. »Haben Sie gemerkt, daß sie uns nichts zuleide getan haben, uns dafür aber in die richtige Richtung schleppen?«
    Der Indianer, der ihn am Arm festhielt, schüttelte ihn ungerührt, um ihn zum Schweigen zu bringen. Bei Jabba wäre das kaum gegangen, denn der übertraf seinen Aufpasser sowohl an Länge als auch an Breite. Doch obwohl Efrain jeden durchschnittlichen Bolivianer überragte, reichte er seinem Bewacher kaum bis zur Schulter. Meiner, ebenfalls von stattlicher Größe, war zwar einen Kopf kleiner als ich, aber ich hatte nicht das geringste Interesse, ihn nervös zu machen. Schon gar nicht jetzt, wo ich wußte, daß sie uns nicht töten, sondern an unser Ziel bringen würden.
    Während wir die Stadt durch ein anderes ähnliches Tor verließen wie das, durch das wir gekommen waren, und anschließend große, holprige und verfallene Stufen hinunterstiegen, analysierte ich weiter die Situation. Ich kam zu dem Schluß, daß es bis zu unserem Ziel nicht weit sein konnte, da sie alle unsere Essensvorräte vernichtet hatten und selbst außer ihren Lanzen nichts bei sich trugen. Die Tatsache, daß sie die Hängematten verschont hatten, konnte bedeuten, daß wir diese Nacht im Dschungel verbringen müßten. Oder aber, sie wollten die Netze für sich behalten. Dann würden wir noch vor Einbruch der Dunkelheit bei den Yatiri eintreffen.
    Da mir nicht alle Informationen bekannt waren, stellten sich auch die Schlußfolgerungen als falsch heraus: Weder vor Einbruch der Dunkelheit oder am nächsten Tag, noch während der darauffolgenden Woche trafen wir auf die Yatiri. Die Hängematten waren tatsächlich für uns gedacht, für diese Nacht und viele weitere Nächte, die noch folgen sollten.
    Wir marschierten den ganzen Nachmittag über schmale Pfade, die sich auf mysteriöse Weise im Dickicht vor uns auftaten. Die Indianer besaßen weder Macheten noch sonst irgend etwas Scharfes, womit sie das Gestrüpp hätten beseitigen können. Man konnte sich schwer vorstellen, wie diese Durchgänge entstanden sein mochten. Trotzdem waren sie da, und zwar mit vielen merkwürdigen Windungen und Kehrtwendungen. Erst Tage später erfuhren wir, daß die Tiere auf der Suche nach Wasser und Nahrung solche Schneisen bildeten. Die Indianer fanden sie instinktiv und nutzten sie für ihr Fortkommen. Aus ihrer Sicht war es Energieverschwendung, sich mühsam mit der Machete einen Weg zu bahnen, wo es doch eine soviel weniger aufwendige Methode gab.
    Diese Wildwechsel oder Trampelpfade begannen und endeten meist an kleinen Rinnsalen, Seen, Quellen, Wasserfällen oder in Sumpfgebieten - wir durchquerten auch solche in diesen Tagen. Am ersten Nachmittag folgten wir einem schmalen Bachbett mit schwärzlich grünem Wasser stromaufwärts, bis die Nacht hereinbrach. Zu beiden Seiten des Bachlaufs bildeten Kolonnaden hoher Bäume eine Wand zwischen Wasser und Land, dicht umrankt von Büschen und Gestrüpp. Mit ihrem üppigen, ineinander verschränkten Geäst warfen sie in unbeschreiblicher Höhe dunkle Schatten über unseren Köpfen. Die Luftwurzeln vieler dieser Giganten hingen wie Gardinen herab und versperrten uns den Weg. Doch statt sie, wie wir bisher, mit Messern zu kappen, schoben die Indianer sie mit den Händen beiseite, anscheinend unempfindlich gegen das Stechen der reichlich vorhandenen Dornen. Die Luft war klebrig feucht, und als der Anführer aus einem unerfindlichen Grund befahl, einen Moment anzuhalten, wirkte die Stille an diesem schattigen Ort bedrückend. Die Stimmen warfen Echos, als befänden wir uns in einer Höhle.
    Einmal wurden wir von elefantengroßen Bremsen attackiert ein anderes Mal von Zitteraalen. Mit ihren großen Köpfen streiften sie unsere nackten Beine dort, wo die Hosen zerrissen waren, und versetzten uns Stromschläge, die sich anfühlten wie kräftige Nadelstiche.
    An der finstersten Stelle des Bachbetts ertönten plötzlich schrille Schreie, die in meinen Ohren wie Seelen im Fegefeuer gellten. Ein Schauer lief mir den Rücken hinunter, und ich

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