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Der verlorene Ursprung

Der verlorene Ursprung

Titel: Der verlorene Ursprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Leibwächter die Lanze hob und auf den Archäologen zielte.
    Gertrude wurde nervös. Ihre Hände zitterten, während sie im gleichen ruhigen Ton wie zuvor die gesamte Geschichte des Rings zu erzählen begann: »Wir haben ihn in Taipikala gefunden, nachdem wir Lakaqullu verlassen hatten, wo wir in der Grabkammer des Reisenden eingesperrt waren, des . sariri.«
    Doch der Kazike schien von keinem der magischen Worte beeindruckt, die Gertrude Bigelow sich auszusprechen bemühte.
    »Wir waren dort«, fuhr Gertrude fort, »auf der Suche nach den Yatiri, den Erbauern von Tai .«
    »Yatiri!« rief der Kerl aus und hob mit zufriedenem Gesichtsausdruck den Steinring ein weiteres Mal in die Luft. Als seine gesamte Truppe einstimmte, war es mit der Stille im Dschungel vorbei.
    Offensichtlich hatte das ausgereicht. Der Anführer und seine fünf Männer zogen an uns vorbei, vollzogen eine Kehrtwendung und marschierten zur Straße zurück, über die sie aufgetaucht waren. Gleichzeitig verschwanden die Reihen der Lanzenwerfer von den Dächern. Wer wie ich insgeheim gehofft hatte, damit sei alles ausgestanden und sie würden abziehen, der hatte sich schwer getäuscht: Von allen Seiten tauchten die Lanzenwerfer kurz darauf wieder auf und füllten den Platz. Der Häuptling blieb auf halbem Weg stehen. Er drehte sich um und musterte uns. Dann machte er eine seltsame Handbewegung, woraufhin sich eine Horde Männer aus ihren Reihen löste und sich wie besessen auf uns stürzte, als wollten sie uns erschlagen. Wider Erwarten zogen sie aber an uns vorbei und blieben vor dem Monolithen stehen, packten unsere Rucksäcke und die übrigen Sachen, die dort herumlagen, und brachten sie dem Anführer. Mit einer eleganten Handbewegung befahl er, alles zu vernichten. Vor unseren ungläubigen Augen rissen diese Wandalen unsere durchlöcherten Rucksäcke auf und verstreuten den Inhalt auf der Erde: Sie zerfetzten die Kleidungsstücke, die Zelte, die Landkarten, die Lebensmittel, zerbrachen die Zahnbürsten, die Rasierapparate, zertrümmerten mit Steinen alles, was aus Metall war (Feldflaschen, Becher, Büchsen, Gertrudes Reiseapotheke mit dem gesamten Inhalt, die Macheten, die Scheren, Kompasse ...    ), zerschlugen erbarmungslos die Handys, Digitalkameras, das GPS und meinen Laptop. Und für den Fall, daß sie irgend etwas nicht vollständig zerstört hatten, beförderten einige von ihnen die Reste der ganzen Bescherung mit Fußtritten auf einen Haufen. Ein anderer, sehr alter Indianer rieb eine geraume Weile zwei Stöckchen aneinander, die er aus einem kleinen Fellbeutel gezogen hatte, bis Rauch aufstieg und es ihm gelang, eine Handvoll strohiges Gras anzuzünden, womit er den Stapel unserer Habseligkeiten in Brand setzte. Am Ende dieser grausamen Zeremonie war absolut nichts mehr übrig außer den Hängematten, die sie sorgsam von den übrigen Sachen getrennt und beiseite gelegt hatten. Nur diese und das, was wir am Leibe trugen, überlebten die barbarische Aktion. Selbst wenn sie anschließend beschlossen, uns am Leben zu lassen, wäre diese Geste der Gnade vollkommen wertlos. Ohne Nahrung, Kompaß oder Macheten hatten wir nicht die geringste Chance, je in die Zivilisation zurückzukehren. Ich war mir sicher, daß uns alle sechs dieser Gedanke beschäftigte. Das wurde mir unmittelbar bestätigt, als ich hinter mir ein unterdrücktes Schluchzen vernahm, das nur von Lola stammen konnte.
    Anschließend, während der Stapel noch qualmte, näherte sich je ein Indianer einem von uns, und sie führten uns im Gefolge des Häuptlings, seines Geleitzugs und seiner Krieger zum Ausgang des Platzes. Jetzt erst begannen meine Neuronen zu reagieren und die losen Enden zu verknüpfen. Vielleicht deshalb, weil wir ausgerechnet die von dem Pfeil auf dem Steinring markierte Straße wählten - ebendie, über die der Anführer erschienen war. Jedenfalls brauchte man nur eins und eins zusammenzuzählen: Die Indianer hatten uns seit unserer Ankunft in der Ruinenstadt beobachtet, hatte ich doch selbst flüchtig gesehen, wie sie heimlich um uns herumschlichen. Und dann tauchten sie ausgerechnet in dem Augenblick auf, als wir den Steinring auf den Sockel des Monolithen legten. Außerdem hatte der Gefiederte den Ring an sich genommen und mit ihm in der Hand auffällig reagiert, als Gertrude die magischen Worte »Taipikala« und »Yatiri« aussprach. Jetzt, nachdem sie jeden Fluchtversuch vereitelt hatten, führten sie uns in die Richtung ab, in die der Pfeil auf dem Ring

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