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Der verlorene Ursprung

Der verlorene Ursprung

Titel: Der verlorene Ursprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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diesem Augenblick mit einem seltsamen Gesichtsausdruck. Er hatte eine Hand auf den Sockel der Statue gestützt.
    »Ich«, sagte Marc.
    »Würde es Ihnen etwas ausmachen, es mir zu geben?«
    »Es steckt aber zuunterst in meinem Rucksack«, murrte Marc. »Ich müßte alles auspacken.«
    »Na los, dann tun Sie das. Ich verspreche auch, daß ich Ihnen eine riesige Portion bolivianischen Quinoa-Eintopf spendiere.«
    Das Verhalten des Archäologen kam uns allen seltsam vor. Wir behielten ihn die ganze Zeit im Auge, während Marc auf der Suche nach dem Ring alles durchwühlte.
    »Schon gut! Ich erkläre es ja sofort!« platzte Efrain heraus. Unsere erwartungsvolle Haltung brachte ihn zum Lachen.
    »Kommt mal her und seht, was ich zufällig hier zu Füßen des Giganten entdeckt habe.«
    Gertrude, Lola und Marta waren bei ihm, noch bevor er zu Ende gesprochen hatte, und betrachteten die Stelle neben der Hand des Archäologen. Als ich hinzukam, erkannte ich über ihre Köpfe hinweg eine kleine Erhebung im schwarzen Stein. Sie hatte die Form einer Scheibe Manchegokäse und ein ganz ähnliches Format wie die dreieckige Vertiefung im Donut.
    Marc kam mit dem Steinring und reichte ihn Efrain, der ihn auf den Vorsprung legte und bestätigte, daß er perfekt paßte. Der Ring ließ sich keinen Millimeter bewegen. Die angefügte Spitze des Pfeils deutete eindeutig auf die Ecke des Platzes, von der eine der Straßen abging, der wir noch nicht gefolgt waren. Sie lag genau zwischen der, über die wir gekommen waren, und der, die zu dem Palast mit den Reliefs führte.
    Da ertönte über uns ein ohrenbetäubend schriller Pfiff, der jedenfalls unmöglich von einem Tier stammen konnte. Uns blieb kaum Zeit, den Kopf zu heben, um nachzusehen, woher dieser unangenehme Laut kam, als alle Dächer rund um den Platz sich plötzlich mit überlangen bewaffneten Gestalten füllten. Sie zielten mit schrecklichen Lanzen auf uns. Das war so rasch gegangen, daß keiner von uns Zeit hatte, mit der Wimper zu zucken, keiner sagte ein Wort, schrie oder machte einen Mucks. Unfähig, uns zu rühren, betrachteten wir, zu Salzsäulen erstarrt, diese Szenerie, die aus Dantes Inferno zu stammen schien. Dutzende nackter Indianer bedrohten uns von den Terrassen und Dächern mit ihren Lanzen.
    Ich zweifelte nicht eine Sekunde, daß diese Stangen mit den scharfen Spitzen äußerst gefährlich waren. Vielleicht bewahrte mich die Unerfahrenheit davor, die bekanntlich verwegen macht - ich hatte noch nie im Leben eine solche Waffe gesehen, außer natürlich im Film -, vor Angst zu schlottern. Aber diese ellenlangen Speere, die fast so lang sein mochten wie ihre Träger, erfüllten mich mit Panik. Ich konnte quasi spüren, wie sie qualvoll mein Fleisch durchbohrten. Die wilde Aufmachung der Indianer verstärkte noch meine Angst. Wir konnten sie von unserem Standpunkt aus nicht deutlich erkennen, doch es schien, als hätten sie die Gesichter mit furchterregenden schwarzen Masken bedeckt, die einem förmlich das Blut in den Adern gefrieren ließen.
    Die Sekunden verstrichen.
    »Was machen wir?« flüsterte ich gerade laut genug, daß meine Kameraden mich hören konnten, nicht aber die Indianer auf den Dächern. Doch diese Wilden mußten über das Gehör eines Raubtiers verfügen, denn wie aus Protest gegen meine Worte oder als Drohung stießen sie erneut diesen schrillen Pfiff aus, bei dem einem fast das Trommelfall zerplatzte. Tiefes Schweigen breitete sich im umliegenden Dschungel aus.
    Aus dem Nichts heraus schoß eine Lanze mit scharfem Zischen haarscharf an meiner Hüfte vorbei und bohrte sich tief in einen unserer Rucksäcke. Das dumpfe Geräusch, als sie den wasserabweisenden Stoff zerriß, wiederholte sich mehrere Male. Ich vermutete, daß sie aus verschiedenen Richtungen unser Gepäck beschossen, wohl in der Absicht, uns in Schach zu halten und zum Schweigen zu bringen. Das war ihnen allerdings gelungen: Meinen Freunden ging es sicher wie mir. Eine tödliche Kälte stieg von den Füßen immer höher bis zum Kopf, eine Kälte, die jede Kraft aus den Muskeln weichen ließ und jeden Versuch zu atmen im Keim erstickte. Da tauchte vor uns auf der Straße, auf die der Pfeil am Steinring deutete, eine Gestalt auf. Es handelte sich um den Anführer dieses Trupps, denn er war umringt von fünf stolzen, verwegenen Leibwächtern mit finsteren Gesichtern. Sie schritten bedächtig und würdevoll, so als fühlten sie sich uns armen Fremden, die wir das Pech hatten, unseren Fuß

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