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Der verlorene Ursprung

Der verlorene Ursprung

Titel: Der verlorene Ursprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Rohr aus dem Boden und entfernte es. Vier der fünf Leibwächter des Anführers umringten den alten Schamanen, der sich auf den Boden niederlegte, und hielten ihn an Armen und Beinen fest. Der Rhythmus der Trommel beschleunigte sich. Der Schamane begann sich aufzubäumen und versuchte aufzustehen, doch die Männer hinderten ihn daran. Der Alte kämpfte wie ein Löwe und schrie wie ein verletztes Tier, doch sosehr er sich auch anstrengte, es war vergeblich. Schließlich beruhigte er sich. Als er vollkommen reglos liegenblieb, ließen die Männer ihn los und traten schweigend zurück. Uns war, als gebe es niemanden auf der Welt als diesen scheinbar toten Greis und uns sechs, die wir ihn einkreisten. Die Trommel schlug immer langsamer, wie ruhige Herzschläge.
    Lange Zeit geschah nichts, bis der Schamane sich schließlich wieder aufrichtete wie unter Drogen, mit verdrehten Augen. Jemand trat zu ihm und legte ihm einen kleinen Gegenstand in die Hand. Es war eine der Früchte, die sie vor dem Abendessen ausgenommen hatten. Offenbar hatten sie die Schalen mit Steinchen und Samenkernen gefüllt und so zu einer Rassel umfunktioniert. Der Schamane fing an, die Rassel im Rhythmus der Trommeln zu schütteln und vor unseren Augen zu tanzen.
    Dazu sang er etwas Unverständliches und sprang herum wie ein Affe. Irgendwann klapperte er mit der Rassel direkt vor Gertrudes Gesicht, sie wich vor Schreck zurück, blieb aber wie versteinert sitzen. Da kniete er vor ihr nieder und kritzelte mit der freien Hand irgendwelche Zeichen in den Boden. Anschließend stand er wieder auf und tanzte rasselnd und singend im Kreis umher, bevor er vor Marc haltmachte. Dem war es offensichtlich nicht geheuer, daß der Alte mit der Rassel unmittelbar vor seinem Gesicht herumfuchtelte. Es folgte das Gekritzel auf den Boden, genau wie bei Gertrude, und anschließend wiederholte der Schamane das ganze Ritual vor uns anderen. Als ich an die Reihe kam, fixierte mich der Alte mit seinen schrecklich verdrehten Augen. Dann hockte er sich hin, um etwas auf den Boden zu zeichnen. Aber nein, das war keine beliebige Kritzelei, sondern was seine Hand da in Trance zeichnete, war eindeutig ein Vogel.
    Die Zeremonie endete abrupt, als der Schamane, begleitet von vier heftigen Trommelschlägen, auf der Erde zusammensackte. Die Wächter des Anführers packten ihn und schleppten ihn in den Dschungel, von wo er erst am nächsten Morgen, rechtzeitig zum Weitermarsch nach Qhispita, zurückkehrte. Er schien sich besser zu fühlen denn je und schenkte uns schon von weitem ein freundliches Lächeln. Zu dem Zeitpunkt waren wir uns längst bewußt, daß das gestrige Geschehen als ein Geschenk der Toromonas an uns gedacht war. Das war uns klargeworden, als wir uns die Zeichnungen angesehen hatten. Für Efrain hatte der Schamane eine dreistufige Pyramide gezeichnet, in deren Inneren eine Schlange zu erkennen war. Marta hatte die gleiche Pyramide erhalten, nur hatte der Schamane über diese denselben Vogel wie bei mir gemalt. Marc und Lola war beiden ein menschlicher Kopf mit mehreren, durch Strahlenkränze verbundenen Aureolen zugedacht worden. Gertrude hielt ihre Zeichnung zunächst für ein Vorhängeschloß, doch dann erkannte sie, daß es sich um einen Medizinbeutel handeln mußte. Der Alte hatte nämlich einen kleinen Federschmuck hinzugefügt, ähnlich dem, der an seinem eigenen hing. Das waren wohl die Symbole unserer Zukunft, der Dinge, die uns interessierten und denen wir uns zu widmen gedachten: Efrain und Marta der dreistufigen Pyramide mit der Schatzkammer in Lakaqullu; Marc und Lola der Firma Ker-Central, die Programme künstlicher Intelligenz entwickelte; Gertrude der medizinischen Betreuung der Amazonas-Indianer, allerdings mit Hilfe von Heilmethoden der Schamanen und Medizinmänner. Und ich ... Was zum Teufel bedeutete der Vogel, der mir und Marta galt? Ich glaubte, die Erklärung zu kennen. Doch ich tat so, als verstünde ich es nicht, und schwieg. Absichtlich ließ ich die anderen, Marta eingeschlossen, sich die Köpfe vergeblich zerbrechen.
    Am Montag, dem 5. August, erreichten wir endlich Qhispita und standen vor dem gleichen Tor, durch das wir die Stadt als Gefangene verlassen hatten. Dort verabschiedeten sich die Toromonas. Der Anführer legte jedem von uns sechs, einem nach dem anderen, die Hände auf die Schultern und sprach freundschaftlich ein paar Worte, die wir nicht verstanden. Dann verschwanden er und seine Männer im Dickicht des Dschungels. Sie waren

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