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Der verlorene Ursprung

Der verlorene Ursprung

Titel: Der verlorene Ursprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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keine Freunde großer Worte.
    Nach einer Weile wanderten wir in die Stadt und langsam zum Platz in ihrem Zentrum. Wir liefen wie benommen: Verglichen mit den letzten sechs Wochen im Dschungel, kam uns diese Ruinenstadt mit ihren gepflasterten Straßen und den Häusern mit ihren Mauern und Dächern vor wie der Gipfel der Zivilisation.
    Als wir auf dem Platz ankamen, betrachteten wir schweigend die verlassenen Gebäude und den Monolith in der Mitte, den bärtigen Giganten mit den Zügen des Reisenden von Lakaqullu. Ganz in der Nähe seines schwarzen Felssockels waren noch die verkohlten Überreste unserer einstigen Besitztümer zu sehen. Wie hungrige Bettler durchwühlten wir die Asche in der Hoffnung, noch etwas Brauchbares zu finden, aber da war nichts mehr. Uns waren nur unsere Hängematten geblieben, ein paar Blasrohre und messerscharfe Krallen. Das und eine Menge praktischer Kenntnisse, die wir bei den Toromonas erworben hatten.
    An den letzten Abenden hatten wir diskutiert, wie wir allein nach Rurrenabaque zurückfinden sollten. Von den verbrannten Karten wußten wir noch, daß wir, wenn wir immer in westlicher Richtung liefen, auf den großen Río Beni stoßen würden. Wenn wir ihm flußaufwärts folgten, mußten wir über kurz oder lang auf die Nachbarorte Rurrenabaque und San Buenaventura stoßen. Auf dem Hinweg hatten wir uns strikt an den Karten von Sarmiento de Gamboa und der Goldtafel orientiert, doch jetzt waren wir allein auf uns gestellt.
    Anhand des Laufs der Sonne legten wir die Himmelsrichtungen fest und marschierten los in den Dschungel. Wir waren nicht mehr dieselben sechs Personen, die, mit moderner Technologie und Fertignahrung ausgerüstet, in der Dschungelstadt eingetroffen waren. Inzwischen hatten wir gelernt, zu jagen und zu häuten, ein Feuer zu entfachen und uns vor den Gefahren zu schützen, die von Pumas, Ameisensoldaten, Bremsen oder Tukanen ausgingen. Wir konnten den von wilden Tieren geschaffenen Schneisen folgen, eine Liane abreißen und das in ihr enthaltene Wasser trinken, wenn wir durstig waren, oder einen Abszeß mit Schlangen- oder Eidechsenfett behandeln. Nein, wir waren längst nicht mehr dieselben sechs - drei Hacker, eine Ärztin, ein Archäologe und eine Anthropologin -wie damals, als wir mit unseren Rucksäcken aus wasserabweisendem, atmungsaktivem Material zur Ruinenstadt Qhispita aufgebrochen waren.
    Wir brauchten nur zweieinhalb Tage, um zum Río Beni zu gelangen, und von dort zwei weitere Tage, bis wir auf ein winziges Dorf namens San Pablo stießen. Dort lebten drei, vier Indiofamilien, die natürlich weder über ein Telefon verfügten noch wußten, was das war. Dafür besaßen sie ausgezeichnete Kanus und boten uns sogar an, uns mit einem bis zur nächsten Siedlung namens Puerto de Ixiamas fünfzig Kilometer flußaufwärts zu bringen. Wir hatten die Reaktion vorhergesehen, die unser überraschendes Auftauchen in einem solch erbärmlichen Zustand hervorrufen würde. Wir erzählten ihnen eine haarsträubende Story von einem Flugzeugabsturz, bei dem wir alles verloren hätten, und dem dramatischen Überlebenskampf im Dschungel. Die Dorfbewohner, einfache Leute ohne große Spanischkenntnisse, die noch zerlumpter wirkten als wir, starrten uns verständnislos an. Doch sie gaben uns zu essen, überließen uns eine ihrer Holzhütten zum Schlafen und brachten uns am nächsten Tag nach Puerto de Ixiamas, das kaum größer war als San Pablo, aber wenigstens über ein Telefon verfügte. Das funktionierte allerdings nur, wenn man es an einen alten, mit Benzin betriebenen Generator anschloß. Nach stundenlangen fruchtlosen Versuchen über mehrere lokale Ämter erreichte Efrain schließlich einen seiner Brüder und schilderte ihm kurz unsere Notlage. Dieser, ein friedfertiger Mathematiklehrer, reagierte kühl, da er wenig für derartige Eskapaden übrighatte. Doch er versprach, uns zwei Tage darauf in Puerto Brais, dem letzten Dorf am Flußufer vor Rurrenabaque, mit Kleidung und Geld zu erwarten.
    Wir befanden uns am Ende der Welt, in einer gottverlassenen Dschungelregion, in die es niemals jemanden verschlug und wo man nicht an Weiße gewöhnt war, geschweige denn daran, Spanisch zu sprechen. Die Terra incognita lag noch nicht hinter uns. Mit den Kanus der Menschen vom Fluß erreichten wir am vereinbarten Tag Puerto Brais, nur fünfzehn Kilometer von unserem Ziel entfernt. Und tatsächlich erwartete uns dort Efrains Bruder Wilfredo. Er blickte zwar etwas ratlos drein, empfing uns

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