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Der verlorene Ursprung

Der verlorene Ursprung

Titel: Der verlorene Ursprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Gertrude bekommen hatte, und war bereits außer Gefecht, ehe das Flugzeug abhob. In Lima und an den anderen Flughäfen, die wir zur Zwischenlandung anflogen, hatten wir Mühe, ihn wach zu bekommen. Diese Tabletten, von denen er einen enormen Vorrat mitführte, hielten ihn in einem komaähnlichen Zustand, bis wir Spanien erreichten. Im nachhinein behauptete er, es sei die angenehmste Reise seines Lebens gewesen.
    »Ist es nicht die schönste Art zu sterben«, nuschelte er schläfrig am Flughafen Schiphol, »wenn man nichts davon mitbekommt?«
    Dabei hatte er sich, ehe die Triebwerke angeschaltet wurden und die nächste Tablette ihre gnädige Wirkung tat, in jedem neuen Flugzeug wehmütig »für den Fall, daß wir uns nicht wiedersehen« von Proxi, Marta und mir verabschiedet - vor allem von Proxi natürlich. Er trieb es so weit, daß ich mir schwor, niemals wieder mit ihm ein Flugzeug zu besteigen. Lola blieb ja nichts anderes übrig, als ihn zu ertragen, aber ich konnte getrost auf sein dramatisches Tamtam verzichten.
    Auf dem letzten Flug von Amsterdam nach Barcelona setzten Marta und ich uns schließlich absichtlich drei Reihen hinter Marc und Lola. Es war der Moment, auf den ich gewartet hatte, um ungestört mit ihr über meinen Bruder zu reden.
    »Hast du schon entschieden, was du wegen Daniel unternehmen willst?« begann ich, als uns eine knappe halbe Stunde nach dem Start die Tabletts mit dem Mittagessen gereicht worden waren. Bis dahin hatten wir über Computer geredet, und sie hatte sich sehr interessiert gezeigt, mein »Roboterhaus« zu sehen, wie sie das nannte.
    Sie antwortete nicht sofort. Einige zähe Sekunden schwieg sie und tat, als wäre sie ganz von der Plastiknahrung vor sich in Anspruch genommen. Ich hätte ein ordentliches Stück gegrillten Tukan diesem synthetischen Mischmasch bei weitem vorgezogen.
    Marta räusperte sich. »Falls er wieder gesund wird«, sagte sie leise und spießte ein welkes Salatblatt auf, »würde ich gern erst mit ihm reden, ehe ich etwas unternehme.«
    »Hast du Angst, ich könnte dich bitten, daß du ihn nicht anzeigst?«
    »Ich bin sicher, das würdest du niemals tun.«
    Ich lächelte. »Nein, das würde ich nicht.« Ich schob mein Tablett auf die freie Ablage neben mir und drehte mich so weit zu Marta um, wie die beengten Verhältnisse es zuließen. »Aber ich wüßte gern, was du vorhast.«
    »Diebstahl von Forschungsunterlagen ist eine sehr ernste Sache, Arnau. Du mußt nicht glauben, daß mir die Entscheidung leichtfällt. Und ich kann noch immer nicht fassen, daß Daniel dazu fähig war, Material, an dem ich gerade arbeitete, an sich zu bringen. Ich habe mich tausendmal gefragt, warum er das getan hat. Es will mir nicht in den Kopf.«
    »Es ist vielleicht nicht leicht zu glauben, aber er hat es wegen mir getan. Also, nicht daß es meine Schuld wäre oder er mir einen Gefallen tun wollte, versteh mich nicht falsch. Ich zerbreche mir jetzt schon lange den Kopf darüber. Bei der eigenen Familie ist man ja oft betriebsblind. Ich glaube jedenfalls, daß er mich immer als seinen großen Rivalen betrachtet hat. Er hat sich mir unterlegen gefühlt oder war neidisch. So genau kann ich das nicht sagen.«
    »Neid auf den Erstgeborenen ...?«: fragte sie halb im Scherz, halb im Ernst.
    »Neid auf den mühelosen Erfolg, das schnelle Geld.«
    »War es das denn?«
    »Nein, überhaupt nicht. Aber er hat es immer so gesehen. Oder wollte es so sehen. Egal . Welche Rolle spielt das? Was zählt, ist, daß er deine Unterlagen über Taipikala gestohlen hat, weil er hoffte, mit der Entdeckung der Macht der Worte den Durchbruch zu schaffen.«
    »Efrain und ich waren noch längst nicht so weit wie er«, sagte sie nachdenklich und gab den Versuch, sich mit dem Essen anzufreunden, endgültig auf.
    »Daniel ist ganz schön intelligent.«
    »Ich weiß. Das seid ihr beide. Eure Ähnlichkeit ist ja nicht nur äußerlich. Deshalb habe ich ihm vertraut und an ihn geglaubt. Aber über das, was er getan hat, kann ich nicht einfach hinweggehen. Du mußt das verstehen, ich leite den Fachbereich, und einer meiner Dozenten hat sich einen Fehler erlaubt, den er womöglich eines Tages wiederholt.«
    »Oder auch nicht.«
    Sie schwieg wieder. »Oder auch nicht«, räumte sie schließlich ein. »Aber ich bin von Natur aus mißtrauisch und kann nicht so tun, als wüßte ich nicht, daß es in Daniels Denken diesen Hang gibt, der ihn in mein Büro hat eindringen lassen. Möglich, daß so etwas nie wieder

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