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Der verlorene Ursprung

Der verlorene Ursprung

Titel: Der verlorene Ursprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Bolivien!«
    »Soll ich ins Büro kommen?«
    »Nein, nicht nötig. Wähl dich ins System ein, und mach es von zu Hause aus.«
    »Brauchst du sie bis gestern oder gibst du mir ein paar Minuten?«
    »Bis gestern.«
    »Hab ich mir gedacht. Okay, ich schick dir gleich die Reservierungen.«
    Jabba und Proxi hatte es nicht auf ihren Stühlen gehalten. Sie hatten sich neben mich gestellt und beobachteten alles mit ernster Miene.
    »Wie lange dauert der Flug nach Bolivien?« fragte Jabba stirnrunzelnd.
    »Keine Ahnung«, sagte ich. Ich war noch nie nach Amerika geflogen. »Bestimmt nicht lange. Immerhin hat mich Marta Torrent noch am Sonntagabend angerufen. Sie muß sofort oder spätestens gestern, also Montagmorgen, losgeflogen sein. Immerhin hat sie drüben schon ein Interview gegeben, das heute in der Zeitung erschienen ist. Demnach sind es wahrscheinlich acht bis zehn Stunden.«
    »Mann, bist du weltfremd, Root! Du hast leider eine klitzekleine Kleinigkeit vergessen ...«, Jabba setzte sich wieder an den Rechner. »Zwischen hier und dort gibt es eine Zeitverschiebung von mindestens sechs bis sieben Stunden.«
3. Teil
    Jene lange Reise mit Marc als Alptraum zu bezeichnen wäre stark untertrieben. Auf der ersten Teilstrecke von Barcelona zum Flughafen Schiphol in Amsterdam konnten wir ihn kein einziges Mal dazu bewegen, die Augen zu öffnen oder seine um die Armlehnen gekrampften Finger ein wenig zu lockern, geschweige denn, ein Wort zu sagen. Er saß da wie versteinert, qualvolle Angst stand ihm ins Gesicht geschrieben. Proxi, die das alles bereits kannte, genoß die Reise ungemein und schlug pausenlos neue Gesprächsthemen vor, ohne dem Drama neben sich Beachtung zu schenken. Ich aber war noch nie mit Jabba geflogen. Erstaunlich, mit welchem Kraftaufwand er die Stirn runzelte, die Augen zukniff, die Lippen zusammenpreßte und sich an seinen Sitz klammerte. Gebannt starrte ich dieses faszinierende Schauspiel an. Egal, ob man ihn ansprach oder ihm ein Glas Wasser anbot, seine Muskeln entspannten sich nicht eine Sekunde. Als wir gegen neun Uhr morgens auf dem riesigen Flughafen Schiphol landeten, war er völlig erschöpft, von der Anspannung käseweiß und verschwitzt und sein Blick glasig wie der eines Sterbenden. Wir liefen durch die Läden und tranken etwas in einer der Flughafen-Cafeterias (unser Anschlußflug ging erst um elf). Endlich kehrte Leben in ihn zurück, und er war wieder der bissige, spitzzüngige Jabba, den wir so gut kannten. Doch der Eindruck täuschte, denn kaum riefen die Lautsprecher unseren KLM-Flug nach Aruba und Lima auf, verwandelte er sich erneut in eine dicke Salzsäule, und seine Bewegungen wurden steif und mechanisch wie die eines Roboters. Zu allem Unglück gerieten wir auf halber Strecke in starke Turbulenzen, die eine gute Dreiviertelstunde anhielten. Jabba knirschte mit den Zähnen, seine Arme und Hände verkrampften sich noch mehr, und er preßte sich so fest gegen seine Kopfstütze, daß ich fürchtete, sie könne abbrechen. Nie hatte ich jemanden so leiden sehen. Für mich stand ein für allemal fest, daß ich an seiner Stelle niemals, nicht einmal betrunken, in ein Flugzeug steigen würde, auch wenn mein Leben davon abhinge. Nein, wirklich, das war es nicht wert. Es erschien mir unmenschlich, daß jemand etwas derartiges durchmachen mußte, noch dazu ein großer, kräftiger Typ und Maulheld wie Jabba. Schließlich mußte nicht jeder gerne fliegen.
    Gegen drei Uhr nachmittags Ortszeit landeten wir auf dem Flughafen Reina Beatrix auf der Antilleninsel Aruba, wo wir bereits einen Zeitvorsprung von ungefähr fünf Stunden gegenüber Spanien gewonnen hatten, und um vier Uhr flogen wir weiter. Und wenn alles planmäßig lief, würden wir noch bei Tageslicht in Peru landen. Mit der Erddrehung zu fliegen und die Sonne in nahezu unveränderter Position neben sich zu haben war ein eigenartiges Erlebnis. Der Tag verging, aber für uns trat er irgendwie auf der Stelle. Der arme Jabba wollte nichts von dem Essen wissen, das man ihm anbot. Er war ein Wrack, als wir endlich in Lima auf dem Flughafen Jorge Chavez festen Boden betraten. Fünfzehn Flugstunden waren weit mehr, als er ertragen konnte. Sein verschwitztes Haar hatte einen erdigen Farbton angenommen und klebte ihm am Kopf wie ein Helm.
    »Ist ihm denn auf einem Flug schon mal was passiert, wovon er mir nie erzählt hat?« fragte ich Proxi. Wir stiegen in den Bus, der uns zum Terminal bringen sollte. In Peru war es kalt, viel kälter als in

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