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Der verlorene Ursprung

Der verlorene Ursprung

Titel: Der verlorene Ursprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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der sich hinter einem Tisch mit Touristensouvenirs verschanzt hatte, bat, ein paar Sätze auf Aymara zu sagen. Der Mann schien mich zuerst nicht zu verstehen, doch als er die Boliviano-Scheine in meiner Hand sah, begann er, so etwas wie ein Gedicht aufzusagen. Wir verstanden natürlich kein Wort, doch das störte uns nicht im geringsten. Es genügte uns, endlich gesprochenes, echtes Aymara zu hören. Und Mann, das war eine verdammt holprige Sprache. Eine Sprache, wie ich sie noch nie im Leben gehört hatte. Sie glich einem unrhythmischen Getrommel, einer wirren Klangfolge, bei der manche Silben von seltsam aspirierten Lauten begleitet wurden und sonderbaren Gurgel-, Schnalz- und Klicklauten, die tief aus der Kehle zu kommen schienen. Eine Weile lauschten wir reglos und ungläubig diesem Sturzbach fremdartiger akustischer Effekte. Dann verabschiedeten wir uns dankend von dem Verkäufer, der uns mit einem freundlichen Jikisinkama - eine Art »auf Wiedersehen« - ziehen ließ. Wir setzten unseren Spaziergang rund um die San-Francisco-Kirche fort und spürten unterwegs, wie die Höhenkrankheit sich in abgeschwächter Form zurückmeldete. Hier und da gaben Geschichtenerzähler im Kreis lauschender Zuhörer ihre Fabeln zum besten, und die Stände mit Stoffen, magischen Objekten, Halsketten, Figürchen und Alpacamützen lockten immer mehr Käufer an - Einheimische und Touristen wie uns.
    »Waren das die berühmten natürlichen Klänge?« wagte Proxi schließlich erstaunt zu fragen.
    Wir hatten uns alle drei dick in unsere Jacken und Mäntel eingemummelt, denn während in Spanien der Sommer mit herrlichem Wetter Einzug hielt, begann hier auf der Südhalbkugel der rauhe Winter und damit die Trockenzeit.
    »Ganz sicher waren sie das«, murmelte ich und trat achtsam auf die Pflastersteine. Durch die enge, von Menschen wimmelnde Straße bahnten sich nur einige Motorräder im Schneckentempo ihren Weg. La Paz war eine Stadt mit ockergelben und braunen Häuserwänden, von denen sich die auffälligen Farben der Ponchos, Röcke, Hüte und Decken der Aymara abhoben. Die niedrigen Häuser hatten kleine, mit Blumen geschmückte Gitterbalkons, auf denen Wäsche zum Trocknen hing.
    »Die Ursprache«, lästerte Jabba, der Mühe hatte, geradeaus zu blicken, »vielleicht sogar die Sprache von Adam und Eva, die aus natürlichen Klängen besteht und aus den gleichen Elementen gemacht ist wie Dinge und Lebewesen. Ein toller Rohstoff, wenn so was dabei rauskommt!«
    »Unglaublich, wie der Typ mit Mund und Kehle diese ganzen Pfeif- und Klicklaute erzeugt hat. Das soll sogar etwas bedeuten. Was für ein Kauderwelsch!«
    »Also, tut mir ja leid«, schaltete sich meine Lieblingssöldnerin ein, während sie sich einem der Stände näherte, »aber dieses Kauderwelsch ist, ob es nun von Adam und Eva stammt oder nicht, die vollkommenste Sprache der Welt. Außerdem ist sie der eigentliche Programmiercode, der die Geheimnisse der Yatiri enthält.«
    Der Verkäufer des kleinen Straßenstands war sichtlich beeindruckt von Proxis letzten Worten und begann aufgeregt zu gestikulieren: »Haben Sie die wunderschönen Sachen hier gesehen? Ich bin Yatiri und kann Ihnen die besten Lamaföten und die wirkungsvollsten Amulette anbieten. Schauen Sie nur, schauen Sie nur ... Wollen Sie Heilkräuter, Viracocha-Stäbe, Cocablätter? Ich versichere Ihnen, auf dem ganzen Markt werden Sie keine besseren finden.«
    »Sind Sie Yatiri?« fragte ihn Proxi betont beiläufig.
    »Natürlich, Señorita! Dies hier ist ja der Markt der Hexen und Wunderheiler. Wir alle hier sind Yatiri.«
    »Ich glaube, wir sollten uns ein paar Bolivienreiseführer besorgen«, flüsterte mir Jabba ins Ohr. »Entweder wir sind auf dem falschen Dampfer, oder irgendwas ist hier nicht ganz koscher.«
    »Wir sind nicht als Touristen hier.« Ich rieb mir die eiskalte Nase. »Wir sind hier, um in die Geheimkammer der Lakaqullu-Pyramide zu gelangen.«
    Während ich das sagte, überlegte ich, ob ich dem vorgeblichen Yatiri einen Viracocha-Stab abkaufen sollte. Nicht zu Forschungszwecken, sondern als Mitbringsel für meinen Neffen. Die Viracocha-Stäbe waren jämmerliche, aus Holz geschnitzte und grell bemalte Nachahmungen der Stäbe des Gottes vom Sonnentor, an deren Ende Troddeln aus Lamawolle baumelten. Schließlich entschied ich mich dagegen. Ich konnte mir lebhaft Onas Gesicht vorstellen, wenn ich ihrem Sohn etwas schenkte, mit dem er zu Hause fröhlich alles kurz und klein schlagen konnte. Sie würde mich

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