Der verlorne Sohn
bin ich? Im Kohlenkeller, wie es scheint. Und wo liegt dieser Keller? Etwa innerhalb des Gefängnisses? Das wäre fatal! Ich will doch einmal durch das Loch – –«
Er stand auf. Er warf jetzt das Tuch vollständig ab und bemerkte nun erst, daß er völlig nackt war.
»Tod und Teufel!« brummte er. »Das ist ja eine ganz verfluchte Geschichte! Wenn es uns auch gelingt, hinauszukommen, nackt können wir doch nicht fort. Na, sehen wir zunächst, wo wir uns befinden.«
Er trat an eins der Löcher und blickte hindurch. Nun sah er allerdings, daß er sich innerhalb der Gefängnißmauer befand. Zunächst bemerkte er einen Schließer, welcher drüben aus der Thür trat und in schnurgerader Richtung über den Hof herüberkam.
»Der kommt grad auf diese Thür zu,« murmelte er. »Sapperment! Wenn er hereinkäme! Rasch wieder hin auf die Bank und in das Tuch gewickelt.«
Er deckte das Gesicht Horns zu, wickelte sich ein und streckte sich aus, so wie er vorhin dagelegen hatte.
Nun hörte er das Hängeschloß öffnen; die eiserne Stange klirrte, die Thür ging auf, und der Schließer trat ein. Er warf einen forschenden Blick herein und verschloß dann wieder. Erst nach einer längeren Weile getraute sich Seidelmann sich wieder zu erheben.
Er gab seinen Gedanken, seinen Hoffnung und Befürchtungen Audienz, sah aber ein, daß er zunächst das Erwachen seines Gefährten erwarten müsse.
Es verging eine Stunde, welche ihm zur Ewigkeit wurde, und dann kam der Schließer wieder. Glücklicher Weise hatte der Schuster ihn abermals bemerkt und sich in Folge dessen wieder lang auf die Bank ausgestreckt.
Als sich der Aufsichtsbeamte wieder entfernt hatte und Seidelmann sich wieder aufrichtete, sagte er zu sich selbst: »Wie es scheint, revidirt man uns alle Stunden. Das ist ja zum – horch! Was war das?«
Der Laut, den er gehört hatte, war von Horn gekommen. Dieser begann, sich zu bewegen. Seidelmann nahm das Tuch von dessen Gesicht hinweg und blickte in zwei traumhaft zu ihm aufblickende Augen.
»Horn!« sagte er.
Der Apotheker antwortete noch nicht.
»Horn!«
»Wa – wa – – was?«
»Besinnen Sie sich! Wissen Sie, wer Sie sind?«
»Nein – nei – – nein!«
»Kennen Sie mich?«
Der Gefragte betrachtete ihn längere Zeit und antwortete:
»Nein – ja – – Sei – Seidelmann.«
»Endlich! Wir sind ja gefangen.«
»Ja.«
»Und waren todt, haben Gift genommen.«
»Todt – Gift!«
Mit einem Rucke war er von der Bank empor. Diese beiden Worte hatten ihm sofort die Situation klar gemacht. Er sah sich um und sagte: »Wie lange sind Sie schon munter?«
»Fast zwei Stunden.«
»Sehen Sie! Ganz wie ich es Ihnen vohersagte! Meine Präparate wirken mit göttlicher Pünktlichkeit. Aber wissen Sie bereits, wo wir sind?«
»Im Kohlengewölbe des Gefängnisses.«
»Nicht außerhalb desselben?«
»Nein.«
»Verflucht!«
»Und jede Stunde ist Revision.«
»Von wem?«
»Der Schließer kommt.«
»So hat man Verdacht gefaßt.«
»Wie es scheint!«
»Und nackt! Alle Teufel, ist man vorsichtig gewesen! Es ist sicher, daß man uns nicht traut. Wie können wir entfliehen, wenn wir keine Kleider haben.«
»Ach, ich würde gar zu gern splitternackt fortlaufen, wenn ich nur hinaus könnte!«
»Um draußen sogleich festgenommen zu werden. Nein, Kleider müssen wir haben.«
»Woher aber nehmen?«
»Das wird sich finden. Zunächst wollen wir sehen, ob es überhaupt möglich ist, zu entkommen.«
Er trat an das Loch und sah hinaus.
»Man sieht sehr wenig Tröstliches,« bemerkte Seidelmann.
»Das ist freilich wahr. Dieses Kohlengewölbe liegt an der einen Seite des Gefängnißhofes. Dort die Mauer ist über fünf Ellen hoch. Man kann nicht drüber weg. Ein Thor ist da, aber die Schlüssels – – ah!«
»Was ist?«
»Ich habe einen Gedanken.«
»Welchen?«
»Sagten Sie nicht, daß jede Stunde ein Schließer komme, um zu revidiren?«
»Ja.«
»Hat er seine Schlüssel mit?«
»Ich bemerkte allerdings einen Schlüsselbund in seiner Hand.«
»Gut, sehr gut!«
»Wieso?«
»Er wird uns den Schlüssel borgen, das Thor zu öffnen.«
»Wird er? Hm!«
»Und Kleider borgt er uns auch.«
»Wieso?«
»Das errathen Sie nicht?«
»Wollen Sie ihn bestechen?«
»Dieser Versuch würde wohl sehr schlecht ausfallen. Nein, ich werde nicht mit ihm reden; ich bin ja todt.«
»Was wollen Sie denn thun?«
»Wir lassen ihn herein und machen ihn kalt.«
»Hm! Man wird ihn vermissen.«
»Dann sind wir fort.«
»Am
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