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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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nicht im Wege sein.«
    »Sie müssen sich doch erst von einem Fachmanne untersuchen lassen, ob Sie transportabel sind!«
    »Transportabel?« lachte er. »Das klingt ja genauso, als ob ich per Siechkorb oder Krankenbahre von hier fortgetragen werden solle! Nein, so gefährlich ist es denn doch wohl nicht. Ich werde recht gut nach Hause gehen können.«
    »Das warten wir ab! So! Jetzt bin ich fertig. Hoffentlich hält der Verband. Ziehen Sie den Rock wieder an und dann setzen Sie sich hübsch hier auf das Sopha, und da bleiben Sie ganz ruhig sitzen!«
    »Gnädiges Fräulein, ich bin von diesem Sophasitzen gar kein großer Freund!«
    »Das geht mich nichts an. Bis ein Anderer kommt, bin ich Ihr Arzt und Sie haben mir zu gehorchen!«
    »Sapperment, sind Sie ein scharfer Commandeur! Na, genade Gott Dem, dessen Ehefeldwebel Sie einmal werden! Er ist zu bedauern!«
    »Hoffentlich aber wird er sich dabei wohl befinden.«
    »Hm, ja! Für Manchen ist scharfes Pflaster gut! Ich aber liebe das nicht. Horch! Da scheinen die Kriegshelden aus dem Dorfe zu kommen.«
    Er wollte auf und fort. Ellen hielt ihn fest und sagte:
    »Halt! Hier geblieben! Wenn Sie nicht sitzen bleiben, dictire ich Ihnen vierzehn Tage strengen Arrest!«
    »Wohl gar auf Latten und bei Wasser und Brod?« fragte er.
    »Ja, gewiß!«
    Als Hilda sah, daß er sich doch nicht wieder setzte, legte sie ihm das Händchen auf den Arm und sagte bittend:
    »Herr Oberlieutenant, bleiben Sie hier! Wollen Sie auch auf mich nicht hören?«
    Da ging es wie heller Sonnenschein über sein Gesicht und seine sonst schnarrende Stimme klang ganz außerordentlich mild: »All mein Lebelang möchte ich einzig nur auf Sie hören, auf Sie und keine Andere! Aber hier ruft die Pflicht. Sie wissen nicht, was in solchen Fällen gethan werden muß. Ich muß hinab, wirklich, wirklich!«
    Und damit war er schon zur Thür hinaus. Die beiden Damen hörten seine laute, befehlende Stimme unten erschallen; darauf ertönten feste Männerschritte in den Corridoren und dann, erst nach einer längeren Weile kam er wieder zu ihnen zurück.
    »So,« sagte er. »Jetzt habe ich meine Pflicht gethan. Es werden alle Thüren, Gänge und Fenster bewacht. Nun kann nichts Gesetzwidriges geschehen, und ich will Ihnen Gehorsam leisten und hier auf dem Sopha Massenquartier nehmen. Wissen Sie, was das heißt?«
    »In diesem Falle nicht,« antwortete Ellen.
    »Nun, Massenquartier ist das Gegentheil von Einzelquartier. Ich will nicht allein auf dem Sopha sitzen, sondern Sie sollen sich neben mich placiren, die Eine rechts und die Andere links. Dann können Sie mich besser pflegen, als wenn Sie sich in meilenweiter Entfernung von mir auf irgend einen Stuhl niederlassen!« –Holm und Robert Bertram waren, wie bereits gesagt, fort geeilt, um nach dem Thurme zu gehen. Als sie an den Obstbäumen vorüberkamen, sagte der Letztere, indem er stehenblieb: »Halt! Da kommt mir ein Gedanke. Werden wir in den Thurm können?«
    »Wohl schwerlich.«
    »Ja; die Flüchtlinge werden sich dort einschließen. Ich habe am Nachmittage gesehen, daß sich Fenster in dem Mauerwerk befinden. Vielleicht sind wir gezwungen, durch eins derselben einzusteigen.«
    »Kann man nicht wissen. Möglich ist es.«
    »Wie aber kommen wir hinauf an ein Fenster!«
    »Ah, Sie denken vielleicht an die Leiter dort?«
    »Ja. Wollen wir sie mitnehmen?«
    »Sie hält uns auf, sie ist uns hinderlich!«
    »Aber es ist doch besser, wir haben sie, wenn wir sie brauchen, als daß wir sie dann erst holen müssen und dabei vielleicht wichtige Zeit verlieren.«
    »Vielleicht haben Sie Recht. Nehmen wir sie also mit!«
    Sie begaben sich nach der Giebelseite des Gebäudes, wo die Leiter noch am Fenster lehnte. Dabei trat Holm auf einen harten Gegenstand. Er bückte sich und hob ihn auf.
    »Hier habe ich ein Doppelgewehr,« sagte er. »Es ist jedenfalls dasjenige, mit welchem auf den Lieutenant geschossen wurde. Es war nur ein Schuß. Vielleicht – ja, da fühle ich es, daß der eine Lauf noch geladen ist. Dieses Gewehr kann uns von großem Vortheile sein.«
    Er warf es über. Dann ergriffen sie die Leiter. Diese war nicht gar sehr lang und also nicht zu schwer. Einer vorn und der Andere hinten, konnten sie damit ganz gut im Trabe fortkommen.
    Da sie den Thurm bereits am Tage gesehen hatten, kannten sie die Lage desselben und so verfehlten sie ihn nicht, trotzdem es ziemlich dunkel war. Eins der schießschartenähnlichen Fenster war erleuchtet.
    »Sie sind da,« sagte

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