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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Bertram. »Hier auf dieser Seite befindet sich die Thür. Probiren wir, ob sie offen ist!«
    »Werden sich hüten! Sie haben den Eingang auf alle Fälle verschlossen. Das versteht sich ganz von selbst.«
    Sie legten die Leiter nieder und näherten sich dem Eingange. Hinter der starken, aus Bohlen gezimmerten Thür ließ sich ein grimmiges Knurren hören.
    »Ein Hund!« sagte Bertram.
    Das Thier hatte seine Stimme gehört. Es schlug laut an.
    »Zurück!« flüsterte Holm. »Der Hund wird unsere Anwesenheit verrathen.«
    »Wir müssen aber doch handeln, und da merken sie doch, daß wir hier sind.«
    »Aber ehe wir handeln, müssen wir wissen, woran wir sind. Ich bin einige Male in Bad Reitzenhain gewesen, um Vater und Schwester zu besuchen. Da habe ich Gelegenheit gehabt, von diesem Einsiedler zu hören. Er ist ein ausgesprochener Menschenfeind und läßt seinen Thurm von einem Hunde bewachen, der ein wahrer Teufel sein soll, eine Art Bluthund, der auf den Mann geht und Jeden zerreißt, der sich zu weit vorwärts wagt.«
    »So ist es zu verwundern, daß sich das Thier hinter der Thür und nicht hier außen befindet.«
    »Der Hund wird unbemerkt mit ihnen eingedrungen sein. Kommen Sie jetzt da an das Fenster.«
    Sie hoben die Leiter wieder auf und legten sie an. Sie war höher als das Fenster; sie reichte ein ganzes Stück über dasselbe empor. So war es möglich, daß alle Beide hinaufsteigen und in das Fenster blicken konnten, Holm auf der Leiter stehend und Bertram sich von unten an die Sprossen haltend.
    Das Fenster war fast manneshoch, aber seine Breite betrug nicht mehr als eine Elle, so daß im Nothfalle ein Mann nur in Querstellung hineinsteigen konnte. Der Rahmen schloß nicht ganz an den Stein, der Mörtel, welcher beide zusammengehalten hatte, war im Laufe der Zeit ausgebröckelt, darum konnte man von außen die Stimmen der drin Sprechenden vernehmen.
    Zu sehen war nur Theodolinde. Sie saß auf einem alten Polsterstuhle und schien der Unterhaltung der beiden Männer, welche der Blick der Lauscher nicht zu erreichen vermochte, mit Spannung zuzuhören. Ihr Gesicht hatte einen gespannten, hochmüthigen Ausdruck. Zuweilen blitzte ihr Auge verächtlich oder zornig auf, oder sie zuckte zusammen und bewegte sich hastig auf dem Stuhle, als ob sie auf Jemand einspringen oder irgend Einen hastig auf etwas Wichtiges aufmerksam machen wolle.
    Endlich nahm sie auch mit Theil an der Unterhaltung. Die Beiden hörten sie sagen:
    »Ja, bleiben können wir nicht.«
    »Fort müssen wir, schleunigst fort,« erklang die Stimme ihres Vaters.
    »Und zwar noch diese Nacht!«
    »O, hier bei mir wird man Sie nicht suchen!« bemerkte der unsichtbare Einsiedler.
    »Warum nicht? Wir haben seit einiger Zeit Pech. Ich habe keine Lust, mich dem Glücke oder dem Zufalle anzuvertrauen. Wir gehen.«
    »Aber wohin?«
    »Das muß besprochen werden. Zunächst fort von hier.«
    »Haben Sie denn die zur Flucht nothwendigen Mittel?«
    »Leider nein.«
    »Hm! Sie haben mir die Ehe versprochen und Ihr Vater hat mir jetzt das Jawort gegeben. Ich habe also die Verpflichtung, für Sie zu sorgen. Ich gehe mit Ihnen.«
    »Wirklich? Ueberall hin?«
    »Wohin Sie wollen!«
    »Haben denn Sie Geld?«
    »Soviel Sie nur brauchen!«
    »Bedenken Sie, daß ich gewohnt bin, Ansprüche zu machen.«
    »Ich bin reich, sehr reich.«
    »Können Sie das beweisen?«
    »Ja, wenn Sie es verlangen.«
    »So thun Sie es!«
    »Warten Sie einen Augenblick!«
    Er schien sich zu entfernen. Bertram und Holm bemerkten, daß der Freiherr zu seiner Tochter trat. Beide flüsterten leise mit einander. Man sah es ihren Mienen an, daß es nichts Gutes war, was sie besprachen.
    »Ich glaube, sie werden dem Einsiedler gefährlich werden,« sagte Holm leise zu Bertram.
    »Sicher! In ihren Zügen ist nur Schlimmes zu lesen. Ah, sehen Sie, was er in der Hand hat?«
    »Ein Messer! Er steckt es wieder ein. Donnerwetter! Sie werden den Einsiedler doch nicht gar ermorden wollen!«
    »Das dürfen wir nicht geschehen lassen! Horch!«
    Jetzt erklang die Stimme Winters wieder:
    »Kommen Sie heraus in meine Kammer! Ich habe Kisten und Kasten geöffnet. Sie sollen sich überzeugen, daß Sie an meiner Seite wie eine Fürstin leben können.«
    Theodolinde erhob sich von dem Stuhle, um dieser Aufforderung Folge zu leisten. Dabei warf sie einen triumphirenden, halb auffordernden Blick auf ihren Vater. Dieser Blick sagte ebenso deutlich wie hörbare Wörter: »Jetzt ist der Augenblick gekommen, jetzt müssen

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