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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Ich habe hier das Messer, welches ich ihm vorhin borgte. Es ist spitz und scharf –«
    »Also! Willst Du?«
    »Wenn es nicht zu schwer ist.«
    »Pah! Du stellst Dich neben ihn, zu seiner Linken, damit Du die rechte Hand zum Stoße hast. Ich werde ihn veranlassen, sich zu bücken. Ein Stoß von hinten in das Herz, und seine ganze Habe gehört uns. Ich hoffe, daß Du einmal keine Memme, sondern ein Mann bist.«
    »Gut, der Kerl soll sterben, notabene, wenn es sich der Mühe verlohnt!«
    Er steckte das Messer wieder zu sich und bald darauf kam Winter unter die Thür, um sie aufzufordern, zu ihm in die Kammer zu treten.
    Dort hatte er seine Reichthümer ihren erstaunten Augen zugänglich gemacht. Was sie sahen, blendete sie förmlich. Theodolinde gab ihrem Vater einen Wink, in Folge dessen er sich an Winter’s linke Seite stellte. Der Freiherr befand sich beim Anblicke des funkelnden Reichthums wie im Traume. Eine entsetzliche Habgier bemächtigte sich seiner; er zog das Messer hervor – Winter bückte sich, von einer Bemerkung des Mädchens dazu verleitet, und sofort bohrte sich das Messer in seinen Rücken. Der Mörder wollte abermals stoßen, da krachte es am Fenster, der Blitz des Schusses durchzuckte die Kammer, und der Freiherr stürzte mit zerschmettertem Kopfe nieder. Halb vor Schreck, halb vor Angst warf Theodolinde sich neben ihn hin.
    Da flog das Fenster sammt dem Rahmen herein und die beiden Lauscher kamen nachgesprungen.
    »Mörderin! Sie sind meine Gefangene!« rief Holm, indem er das Mädchen erfaßte und emporriß.
    Sie blickte ihn mit weit aufgerissenen Augen an, gerade so, als ob sie ein Gespenst erblicke.
    »Mörderin? Ich?« stieß sie hervor.
    »Ja. Sie haben es angestiftet!«
    »Nein!«
    »Schweigen Sie! Wir haben Alles gehört!«
    »Es ist nicht wahr, nicht wahr! Lassen Sie mich!«
    Sie riß sich los und sprang nach der Thür, um zu entfliehen; aber Holm ergriff sie schnell und schleuderte sie zurück, indem er sagte: »Herr Bertram, bewachen Sie dieses Scheusal, während ich nachsehe, wieviel Leben sich noch in diesen beiden Männern befindet.«
    Das Mädchen sah sich verloren und sank auf einen Stuhl nieder. Robert Bertram stellte sich zwischen die Thür und die Sünderin. Holm bückte sich zu dem Freiherrn nieder.
    »Todt!« sagte er. »Die Kugel hat nur zu gut getroffen. Dieser Kerl sollte leben, um eine ganz andere Strafe zu erleiden. Schade, schade!«
    Die Tochter hörte diese Worte, sie vernahm, daß ihr Vater todt sei. Sie that nichts, was ein Zeichen ihrer kindlichen Lebe gewesen wäre. Es war ihr zu Muthe, als ob sie selbst todt sei. Der falsche Muth war verschwunden.
    Jetzt untersuchte Holm den Einsiedler. Er meinte:
    »Dieser scheint noch nicht todt zu sein, sondern nur besinnungslos. Er athmet, wenn auch so leise, daß man es kaum bemerkt.«
    »Ziehen Sie ihm das Messer aus dem Rücken!« sagte Robert Bertram wohlmeinend.
    »Werde mich hüten! Dann verblutet er sich vielleicht in kurzer Zeit. Wir müssen versuchen, ihn in dem gegenwärtigen Zustande wenigstens so lange zu erhalten, bis ein Arzt gekommen ist. Horch! Hören Sie nicht Jemand rufen?«
    »Ja. Jetzt wieder.«
    »Herr Holm!« erklang es unten.
    Und zugleich erhob der Hund unten an der Treppe ein lautes Wuthgeheul. Holm trat an das Fenster und fragte, wer unten sei.
    »Ich, Hagenau,« antwortete es.
    »Kommen Sie herauf, hier!«
    »Gleich! Ah, da ist ja eine Leiter! Was ist geschehen? Giebt es noch Gefahr da oben?«
    »Nein. Es ist vorüber.«
    »Na, warten sie!«
    Der Oberlieutenant schob sich zum Fenster herein und sprang von da herab auf die Diele. Er warf einen Blick in der Kammer umher und sagte dann erschrocken: »Alle Teufel! Zwei Leichen! Was ist geschehen?«
    Holm erzählte ihm den ganzen Vorgang und fragte dann:
    »Wie aber kommen Sie hierher, Herr von Hagenau?«
    »Wir hörten Ihren Schuß. Wir wußten, daß Sie nach dem Thurme waren und keine Waffen bei sich hatten. Da glaubten wir natürlich, daß auf Sie geschossen worden sei und machten uns schleunigst auf die Socken, um Ihnen womöglich Hilfe zu bringen.«
    »Sie, der Verwundete!«
    »Pah! Wird nicht ans Leben gehen! Aber giebt es hier eine Masse Geld! Alle Wetter! Dieses Dämchen wollen wir fest halten. Sie soll nicht so gleich wieder an das Heirathen denken. Eigentlich war der Alte keinen Schuß Pulver werth. Sie hätten sich diese Mühe ersparen können!«
    »Ich mußte schießen, um dem Anderen womöglich das Leben zu erhalten.«
    »Aber ob er

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