Der verlorne Sohn
Man nahm ihnen eine reiche Beute ab, welche nun vielleicht den unvorsichtigen Opfern zurückerstattet werden kann.«
Fritz hatte aufmerksam zugehört. Jetzt aber sagte er:
»Das ist allerdings höchst interessant, uns aber kann es doch nicht interessiren!«
»Nicht? Oh, im Gegentheile, sehr!«
»Wieso?«
»Ich habe in der Residenz die Beobachtung gemacht, daß dieser sogenannte Fürst des Elendes es ganz besonders auf unseren Baron abgesehen zu haben scheint.«
»Das wäre allerdings sehr auffällig!«
»Nicht nur auffällig, sondern sogar beängstigend. Warum wird hier gerade dieser Diener besonders erwähnt? Doch wohl, um dem Baron einen Seitenhieb zu versetzen. Hast Du eine Ahnung, wer gemeint ist?«
»Jedenfalls Louis Helbig. Der Kerl gehört zu uns, hat uns aber mit seiner Spielwuth schon bedeutend zu schaffen gemacht. Ich habe gestern gehört, daß er arretirt worden ist.«
»So müssen wir die Ohren spitzen. Bisher ist Alles gut gegangen. Wir müssen kühn aber auch vorsichtig sein. Ich werde mich um diesen Fürsten des Elendes etwas mehr bekümmern als bisher. Wenn er uns über den Weg laufen will, so mag er sich in Acht nehmen, daß er nicht zu Falle kommt!«
»Nimm Du Dich selbst in Acht!«
»Pah! Wer vermuthet in dem Vorsteher meines Vereins – den – na, es ist ja nicht nothwendig, das Wort auszusprechen. Ja, die Frömmigkeit ist die beste Maske, die es giebt.«
»Sollte es wirklich keine bessere geben?«
»Nein. Wer die Böcke kennen lernen will, muß die Schafe von ihnen zu scheiden wissen. Wir arbeiten an der Aufgabe, die Besitzer der Millionen zu werden, welche der Baron zusammenträgt. Er arbeitet mit der Verbrecherwelt. Um solche Arbeiter zu finden, muß man zuvor die Guten kennen lernen. Das thue ich, indem ich mich dem Berufe gewidmet habe, ein Prediger in der Wüste zu sein. Hast Du Dir den Rath überlegt, den ich Dir vorhin gegeben habe?«
»Ich habe bereits nach dem Gensd’arm geschickt.«
»So will ich mich zurückziehen. Ich brauche bei dieser Conferenz nicht zugegen zu sein.«
Er ging, und kurze Zeit später kam wirklich der Gensd’arm. Der Markthelfer hatte ihn zu Hause getroffen, seinen Auftrag ausgerichtet und war dann nach der benachbarten Amtsstadt aufgebrochen. Dort hatte er den Brief an den Adressaten gegeben.
Dieser, der Kaufmann Strauch, war ein noch junger Mann, ungefähr in Fritz Seidelmann’s Alter. Er hatte die Zeilen gelesen und dann zu dem Boten gesagt:
»Es ist keine schriftliche Antwort nöthig. Sagen Sie Ihrem Herrn, daß ich gern bereit bin, ihm den Gefallen zu thun.«
Darauf kehrte der Markthelfer zurück. Der Schnee war tief, aber auf der Straße konnte man doch fortkommen. Die hier verkehrenden Schlitten hatten Bahn gebrochen.
Er mochte die Hälfte des Weges zurückgelegt haben, als er einen Mann bemerkte, der ihm entgegen kam. Als dieser sich mehr genähert hatte, erkannte er Eduard Hauser in ihm. Der Letztere ging langsam und mit gesenktem Kopfe, als ob er sich in tiefen Gedanken befinde.
Beide blieben, als sie zusammentrafen, vor einander stehen.
»Du, Eduard?« fragte der Markthelfer. »Wohin willst Du?«
»Da vorwärts!«
»Am Sonntag? Doch also nicht in Geschäften?«
»Vielleicht doch! Ich will nämlich sehen, ob ich da nicht irgend eine Arbeit erhalten kann.«
»Ja, der Herr hat Dich abgelohnt.«
»Und auf dem Schachte bin ich nicht angenommen worden.«
»Ich weiß es.«
»Du? Woher?«
»Nun, ich darf eigentlich nicht aus der Schule schwatzen, denn des’ Brod ich esse, des’ Lied ich singe, wie das Sprichwort sagt; aber Fritz Seidelmann hat dem Obersteiger bedeutet, Dir ja keine Arbeit zu geben, falls Du nachfragen solltest.«
»Ist das wahr?«
»Ich weiß es genau.«
»Du selbst bist wohl zum Obersteiger geschickt worden?«
»Laß das gut sein. Ich habe Dir bereits mehr gesagt, als was ich sagen darf, aber ich hoffe, daß Du mich nicht etwa verrathen wirst.«
»Fällt mir nicht ein! Höre, Du bist öfter als ich hier in der Stadt. Weißt Du nicht einen Ort, wo ich Beschäftigung finden könnte?«
»Nein. Es fällt in der jetzigen Zeit außerordentlich schwer, irgendwo anzukommen. Glück auf!«
Er gab ihm die Hand und setzte seinen Weg fort. Eduard verfolgte den seinigen. Als er von dem Obersteiger abgewiesen worden war, hatte er nicht nach Hause gehen wollen. Die Seinigen hörten die traurige Nachricht ja zeitig genug. Er war in das Freie gegangen, um sich die Stirn im Winde zu kühlen, und da war ihm der Gedanke
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