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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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gekommen, einmal zu sehen, ob er in der Amtsstadt Beschäftigung finden könne. Der Markthelfer hatte ihm freilich schlechten Trost gegeben. Jetzt schritt er sinnend und grübelnd weiter.
    »Es möchte noch sein!« sagte er vor sich hin. »Aber die Angelika, das Engelchen! Die macht mir bittre Sorge! Für mich wird der Herrgott sorgen! Finde ich keine Arbeit, so gehe ich weiter! Aber wie ist die Angelika zu retten? Wer ist es, der ihr den Anzug geschickt hat? Wenn ich das doch erfahren könnte!«
    Er stieß einen tiefen Seufzer aus, hob den gesenkten Kopf und blickte um sich, als ob er eine Person suche, welche im Stande sei, seine Frage zu beantworten.
    »Himmel, wenn ich dabei sein könnte!« fuhr er fort. »Ich würde sie beschützen! Dabei sein? Ist das nicht möglich?«
    Er schritt sinnend weiter. Da plötzlich blieb er stehen und rief so laut, daß man es weit hören konnte:
    »Ich hab’s! Ich hab’s!«
    Er hielt erschrocken inne, schritt weiter und sagte leise:
    »Dummhut, der ich bin! Ich schreie ja, daß es alle Welt hören könnte! Wie gut, daß Niemand in der Nähe war! Was ich vorhabe, das darf kein Mensch wissen! Geld wird’s kosten, aber wir haben uns heute Morgen ein Goldstück gewechselt, und hier in der Tasche stecken drei Gulden davon. Ob aber das Andere gelingen wird? Vielleicht! Die ganze Gegend fürchtet sich vor dem Waldkönig wie vor dem Teufel, und der Strauch ist auch kein Held; ich weiß das genau! Er ist der Einzige, von dem ich zufälliger Weise erfahren habe, daß er im Casino ist.«
    Er begann jetzt schneller zu laufen als bisher. Als er die Stadt erreichte, bog er in eine der Gassen ein und blieb vor einer Thüre stehen, über welcher auf einer Firma zu lesen war, daß der Besitzer sich mit dem Ein-und Verkaufe alles Möglichen befasse. Neben der Thüre stand auf einem Blechschilde: »Maskengarderobe wird hier zu vorübergehendem Gebrauche verliehen.«
    Das Geschäft war, als am Sonntage, nicht geöffnet. Dennoch trat Eduard ein, stieg die Treppe empor und klopfte an eine Thür. Diese wurde geöffnet. Ein scharfes, spitzes Mannesgesicht erschien, eine riesige, alte Brille auf der Nase.
    »Was soll es sein?« klang es aus dem breiten, farblosen Munde hervor.
    »Sie verleihen Masken?«
    »Ja; treten Sie ein!«
    Die Stube, in welcher sich Eduard jetzt befand, hing ganz voller alter Kleider, denen ein unangenehmer Duft entquoll. Der Händler betrachtete ihn prüfend und fragte dann:
    »Für wen wollen Sie den Anzug?«
    »Für mich.«
    »Für Sie! Ich kenne Sie nicht.«
    »Ich heiße Eduard Hauser und bin aus der Nachbarstadt.«
    »Da kann ich Ihnen nur dann dienen, wenn Sie Kaution legen.«
    »Ist das viel?«
    »Der volle Werth des Stückes, welches Sie borgen. Haben Sie Maskenball daheim?«
    »Ja. Nächsten Dienstag.«
    »Ah, das Casino will auch hinüber. Diese Gesellschaft hat meine ganze Garderobe in Anspruch genommen. Ich kann Ihnen nur einen Domino bieten.«
    Eduard wußte nicht was ein Domino ist, aber er wollte sich keine Blöße geben und sagte darum:
    »Zeigen Sie mir ihn!«
    »Er ist unten im Laden. Warten Sie einen Augenblick!«
    Der Mann ging, und Eduard blieb allein zurück. Sein Blick fiel auf den alten Schreibtisch, an welchem er stand. Auf demselben lag ein aufgeschlagenes Buch, und da las er, ohne daß er bei der ungewöhnlichen Größe der Schrift noch näher zu treten brauchte:
    »Herr Kaufmann Strauch einen Türkenanzug, fünf Gulden.«
    Und darunter stand:
    »Fräulein Marie Tannert, seine Geliebte, einen Anzug als Tscherkessin, auch fünf Gulden, bereits bezahlt.«
    »Ah, das paßt herrlich!« flüsterte Eduard. »Da erfahre ich, wer zu mir gehört, wenn es klappt!«
    Der Händler kam zurück. Was er Domino nannte, das war ein alter schwarzer Mantel aus dünnem, schlechtem Zeug, mit einer Kaputze.
    »Wollen Sie auch eine Larve dazu?« fragte er.
    »Ja.«
    »Ich habe da eine seidene, welche das ganze Gesicht bedeckt. Zusammen würde das zwei Gulden kosten.«
    »Das gebe ich.«
    »Wollen Sie es gleich mitnehmen?«
    Eduard wußte nicht, wo er die Maske zu Hause verbergen könne, so daß sie nicht entdeckt werden konnte; darum sagte er:
    »Ich hole es mir übermorgen.«
    »Mir auch recht! Aber einen Gulden müssen Sie heute doch anzahlen. Es ist das zu meiner Sicherheit, damit ich die Maske nicht weiter zu geben brauche.«
    Eduard bezahlte den Gulden und ging. Er begab sich in ein ihm bekanntes Wirthshaus, wo er sich ein Glas Bier und sodann auch Papier, Tinte und

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