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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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alte Wunderlich.
    »Nun, so wird sie nichts hören. Das Schlimmste dabei ist, daß ich gerade den Schmied in Verdacht –«
    Da ging die Thür auf, und der Todtengräber trat ein, ganz athemlos vom schnellen Laufen.
    »Verzeihen Sie!« sagte er. »Es ging nicht so rasch, wie ich dachte. Das Feuer war fast ausgegangen.«
    »Hinaus mit Ihnen!« herrschte ihn Arndt an.
    Der erschrockene Mann machte sich schleunigst davon. Arndt aber wendete sich an den Amtmann:
    »Sie saßen natürlich im Gastzimmer der Schänke?«
    »Ja.«
    »Waren Gäste da?«
    »Nein.«
    »Wer bediente Sie?«
    »Die Wirthin, ich glaube, die Frau des Schmiedes
junior

    »Der Herr
Senior
kam nicht hinein?«
    »O doch!«
    »Kennt er Sie?«
    »Ich glaube nicht. Aber diesen Herrn kennt er von der Gerichtsschreiberstelle her, und aus dessem Verhalten mir gegenüber mag der Schmied wohl gemerkt haben, daß ich der Vorgesetzte bin.«
    »Hat er ein Gespräch mit Ihnen begonnen?«
    »Er machte den Versuch.«
    »Worüber?«
    »Ueber das gewöhnliche Thema: das Wetter. Aber ich hielt ihn fern von mir.«
    »Nun, wollen sehen. Gehen wir nach dem Kirchhofe!«
    Der Todtengräber hatte ganz und gar nicht daran gedacht, daß es seine Pflicht sei, vorher zu fragen, ob er sich entfernen dürfe. Er hatte, als Arndt hinausgegangen war, an die jetzige Frosthärte des Erdreiches und an die stumpfe Hacke gedacht, und war also in größter Eile zum Schmiede gegangen.
    In der Werkstatt fand er nur den jungen Schmied, da dessen Vater in der Gaststube war und sich Mühe gab, von dem Amtmann Etwas über den Grund von dessen Anwesenheit zu hören. Als der Alte aber merkte, daß er nichts erfahren werde, kehrte er verdrießlich in die Schmiede zurück, wo er den Todtengräber antraf. Er sah die Hacke in dessen Hand und fragte: »Was soll es mit dem Dinge?«
    »Schärfen.«
    »Es hat doch Zeit? Wir schlagen noch ein paar Nägel und lassen dann das Feuer ausgehen. Morgen ist auch noch ein Arbeitstag. Da kommt die Hacke daran.«
    »Das geht nicht. Ich brauche sie augenblicklich.«
    »Augenblicklich?« fragte der Schmied verwundert.
    »Ja. Ich habe keine Minute zu viel Zeit.«
    »Wozu denn?«
    »Ein Grab zu öff-zu graben.«
    »Es ist doch Niemand gestorben!«
    »Ich muß doch und dennoch ein Loch aufmachen!«
    Das war ungewöhnlich. Ungewöhnlich war auch die Anwesenheit des Amtmannes. Der Alte war ein Schlaukopf und hatte zudem ein böses Gewissen. Er brachte sofort Beides in Verbindung. Er beschloß, auf den Busch zu klopfen. Darum warf er dem Todtengräber einen überlegenen Blick zu, lachte höhnisch vor sich hin und sagte: »Nur nicht so geheimnißvoll gethan!«
    »Thue ich denn geheimnißvoll?«
    »Ja. Aber ich weiß doch bereits, was es ist.«
    »O, das glaube ich nicht!«
    »Nicht? Der Amtmann sitzt drin bei mir!«
    »Der Amtmann? Hm! Ja, der soll ja kommen!«
    »Also! Und nicht er allein, sondern noch Einer. Nun, weiß ich es oder nicht?«
    »Aber es soll ja geheim bleiben!«
    »Dummkopf! Ich bin ja Mitglied beim Gemeindevorstand!«
    »Ach so! Das ist etwas Anderes! Na, ich bin wirklich förmlich erschrocken!«
    »Erschrocken? Das ist kein Grund dazu! Die Sache ist ja so einfach wie nur möglich!«
    »Ja, einfach ist sie, aber doch erstaunlich. Ich glaube, so lange Helfenstein existirt, ist so Etwas nicht passirt. Ein Grab zu öffnen, weil man sehen will, ob das Kind fehlt!«
    Jetzt waren es die beiden Schmiede, welche erschraken, obgleich der Alte vorher gesagt hatte, daß die Sache gar nicht zum Erschrecken sei. Wären ihre Gesichter nicht so rußig gewesen, so hätte der Todtengräber bemerken müssen, wie blaß sie geworden waren. Aber der Alte hatte sich zu sehr in der Gewalt. Er warf seinem Sohne einen warnenden Blick zu, nickte mit dem Kopfe und fragte dann: »Ja, ein Kind. Ist die Nummer eingeschrieben?«
    »Einundfünfzig. Das Kind der Botenfrau.«
    Jetzt wußten die Beiden, woran sie waren und daß es ihnen galt. Der Alte heuchelte die größte Gleichgültigkeit und sagte nur: »Aber wie kannst Du es schon wissen? Der Amtmann ist ja vorhin erst gekommen?«
    »Es ist Einer bei mir.«
    »Wer?«
    »Ich kenne ihn nicht.«
    »Er ist jedenfalls vom Amte.«
    »Nein. Von unserem Gerichtsamte ist er nicht. Ich sage Euch, der Kerl hat Augen, ja, Augen, denen man es anmerkt, daß sie durch zehn eiserne Thüren sehen können, so die echten, rechten Polizei-und Gensd’armerieaugen. Er hat gar nicht etwa feine Kleider an, muß aber dennoch, wie ich vermuthe, ein vornehmer

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