Der verlorne Sohn
Kerl sein.«
»Warum?«
»Weil er gar keinen Summs mit mir machte.«
»Na, denkst Du denn, die Herren von der Polizei sollen Dich mit gelben Glaceehandschuhen beim Barte zupfen?«
»Das nicht; aber ich bin doch auch, so zu sagen, Beamter.«
»Hm! Ja! Und was für einer!«
»Oho! Ein Todtengräber ist auch eine eingesetzte und verpflichtete Person! Wer zu mir kommt, um Etwas zu erfahren, hat sich in der richtigen Weise zu erkundigen.«
»Und das hat er wohl nicht gethan?«
»Ist ihm gar nicht eingefallen! Er hat mich ausgefragt, ungefähr so, wie der Schulmeister einen Jungen vernimmt!«
»Das ist freilich unhöflich!« meinte der Schmied ironisch.
»Im Buche hat er selber nachgeschlagen.«
»Auch noch!«
»Ja. Und dann ist er ganz allein hinaus zum Grabe gegangen, gerade so, als ob ich gar nicht da wäre!«
»Es ist doch Dein Recht, ihm das Grab zu zeigen.«
»Ganz gewiß!«
»Hat er sich denn vor Dir ausgewiesen?«
»Ausgewiesen? Wieso denn?«
»Ich meine, legitimirt?«
»Legitimirt? Nein. Sapperment!«
»Dummkopf! Das hätte ich nicht sein dürfen! Da könnte ein Jeder kommen und in meine Bücher gucken!«
»Das ist wahr! Da hast Du Recht! Ich brauche eigentlich keinen Menschen auf den Kirchhof zu lassen.«
»Na, Du sagtest ja, daß Du auch ein Beamter bist, und Du scheinst stolz darauf zu sein. Verhalten hast Du Dich aber ganz und gar nicht darnach.«
»Nur keine Sorge! Ich werde es nachholen!«
»Schön! Laß Dir nur die Legitimation vorzeigen! Du mußt doch wissen, wer der Kerl ist!«
»Das werde ich thun! Ganz gewiß werde ich es thun!«
»Na, da gehe einstweilen in die Küche und laß Dir von meiner Frau einen Schnaps geben.«
»Warum nicht in die Gaststube?«
»Weil da der Amtmann sitzt, Dummkopf! In zehn Minuten ist die Hacke spitz!«
Der Todtengräber ging. Die beiden Schmiede blickten sich eine Weile dumm an, und dann fragte der junge:
»Warum schickst Du ihn hinein?«
»Du bist eben so dumm wie er! Soll er hören, was wir reden?«
»Es kann ihm aber auffallen! Was wir zu reden haben, kann ja nachher gesprochen werden!«
»Dann ist keine Zeit dazu. Wir müssen rasch handeln!«
»Was denn?«
»Das müssen wir eben berathen. Ich war wirklich ganz steif und starr vor Schreck.«
»Ich auch!«
»Ein Glück, daß er es uns nicht ansehen konnte! Ich denke, diese alte Geschichte ist längst vorüber.«
»Na, daß das Grab leer ist, mußte doch einmal bemerkt werden; das ist sicher und gewiß.«
»Aber man hätte sich gewundert und weiter nichts. Nun kommen die Herren vom Gerichte. Weißt Du, was das heißt?«
»Daß die Sache verrathen ist.«
»Natürlich! Aber wie ist sie verrathen worden? Ich kann die Möglichkeit gar nicht einsehen. Donnerwetter! Ich hoffe doch nicht, daß man an uns denken wird?«
»Ah, wie sollte man!«
»Aber der Amtmann steigt gerade hier bei uns aus!«
»Doch nur, weil hier die Schänke ist!«
»Er behandelte mich so kurz, so von oben herab. Ich hätte ihn gar nicht gekannt, aber Deine Frau hat ihn einmal gesehen. Und was das Unbegreiflichste ist: der alte Wunderlich macht den Kutscher.«
Der Sohn hatte die Spitze der Hacke in das Feuer gesteckt; sie war glühend geworden. Er zog sie heraus, legte sie auf den Ambos und sagte, mit dem Hammer einen wütenden Schlag auf dieselbe ausführend: »Ich möchte in diese Geschichte hauen, gerade so wie hier auf das Eisen! Der Teufel hole sie!«
»Mit Fluchen erreichen wir hier nichts. Wir müssen gleich hinter dem Todtengräber her.«
»Wohin? Auch hinauf?«
»Ja. Wir müssen zusehen.«
»Donnerwetter! Daß sie uns gleich fassen können!«
»Unsinn! Ich muß den fremden Menschen sehen, ob ich ihn kenne. Und ich muß die Leute beim Graben beobachten, um vielleicht errathen zu können, wie die Sache steht.«
»Wie willst Du das bemerken?«
»Auf irgend eine Weise. Man braucht vielleicht gar nicht zu hören, was die Leute reden. Es läßt sich oft aus einer Bewegung oder einer Miene mehr schließen, als aus Worten. Und was ich nicht sehe, das siehst Du. Meine Augen sind nicht mehr so scharf wie früher.«
»Was, ich soll mit?«
»Natürlich! Zwei sehen mehr wie Einer.«
»Aber, man muß uns doch bemerken?«
»Nein, gar nicht. Wir gehen natürlich doch nicht etwa mit in den Kirchhof, sondern wir gucken über die Mauer.«
»Die ist zu hoch!«
»Aber hinten, wo der Gottesacker an den Wald stößt, ist eine Lücke. Weißt Du, da, wo innen die Hollundersträucher stehen. Die Jungens sind auf die
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