Der verlorne Sohn
jedenfalls.«
»Das ist sicher.«
»Ich ahne, daß sie zu uns kommen werden.«
»Ich glaube nicht daran. Aber man muß sich dennoch vorbereiten. Wenn sie uns arretirten, so würden sie uns auch hierher an das Grab führen.«
»Natürlich! Um uns zu beweisen, daß es leer ist.«
»Ja. Aber wie nun, wenn es nicht leer ist.«
»Es ist aber ja leer!«
»Jetzt! Verstehst Du?«
»Donner und Doria! Du sagtest vorhin, daß wir noch ein Kind stehlen sollten – ah!«
»Nun, ist der Gedanke gut oder nicht?«
»Sehr gut! Diese Herren würden aber Gesichter schneiden und lange Nasen machen!«
»Und wir wären natürlich unschuldig.«
»Das muß aber bald geschehen.«
»Freilich, freilich! Heute noch. Heute ist hier das Erdreich noch locker und es wird auch ziemlich dunkel sein.«
»Aber wir haben doch den Brief vom Könige. Wir sollen mit unsern Paschern –«
»Das unterlassen wir. Jeder ist sich selbst der Nächste!«
»Gut! Woher aber das Kind nehmen? Von hier nicht, das geht unmöglich an. Man würde es bemerken.«
»Wo anders leider auch! Ja, wenn wir Sommer hätten! Der Schnee verräth Alles!«
Es trat eine Pause ein. Wie froh war Arndt, auf den kostbaren Gedanken gekommen zu sein, sich hier zu verstecken! Nach einiger Zeit sagte der alte Schmied: »Sie sind schon ziemlich tief hinab. Der Alte arbeitet, daß ihm der Schweiß von der Stirn läuft. Aber, Du, wo ist denn der Fremde, von dem er redete?«
»Den sehe ich nicht.«
»Ich auch nicht. Da ist der Amtmann, der Schreiber und auch der Förster, dem ich schon noch Eins auswischen werde; aber der Fremde – hm!«
»Er wird noch in der Stube sein.«
»Möglich, daß es ihm hier zu kalt ist. Er wird warten wollen, bis sie auf den Sarg treffen. Dann kommt er, und es wird sich zeigen, ob wir ihn kennen.«
»Vielleicht zeigt es sich dann, ob wir Angst zu haben brauchen oder nicht. Aber, da kommt mir ein guter Gedanke, nämlich wegen des Kindes vorhin!«
»Heraus damit!«
»Wie wäre es denn mit dem alten Gottesacker vor der Stadt?«
»Alle Teufel! An den habe ich nicht gedacht! Dort wird ja kein Mensch mehr begraben, seit der neue angelegt wurde.«
»Wir könnten also ganz sicher arbeiten.«
»Und was die Hauptsache ist, die Leiche würde alt genug sein.«
»Und es käme kein Mensch, um am Tage zu bemerken, was da gemacht worden ist!«
»Gut, gut! Wir holen also heute eine Kindesleiche und legen sie hier herein. Was geschehen soll, muß gleich geschehen, denn wir können nicht wissen, ob wir morgen noch Zeit dazu haben.«
»Und noch Eins: Hacken nehmen wir nicht mit. Das macht zu viel Lärm. Wir nehmen spitze Eisenstangen, mit denen wir die gefrorene Erde leicht aufbrechen können. Das geht so ruhig ab, daß wir keine Gefahr laufen. Wenn Alles klappt, so können wir um Mitternacht fertig sein.«
»Ja, das war ein ausgezeichneter Gedanke! Geradeso, als wenn man dem Gegenspieler eine falsche Karte in die Hand spielt, so daß er verlieren muß. Donnerwetter, es war mir ziemlich angst geworden!«
»Gefährlich sieht es aus. Und je weniger wir wissen, was diese Leute im Schilde führen, desto vorsichtiger müssen wir sein und desto schneller müssen wir handeln. Jetzt wird man alt, und die vergangenen Zeiten kehren in den Kopf zurück. Man kann doch nicht Alles so recht verwinden und verdauen!«
»Besser ist’s, man macht sich keine Gedanken.«
»Die braucht man sich gar nicht zu machen; sie kommen ganz von selbst. Wenn ich jetzt im Bett liege und nicht einschlafen kann, so sehe ich ihn daliegen in seinem Blute – verdammt!«
»Wen? Den Hauptmann?«
»Ja, den Hellenbach! Wie mir der arme Brandt leid gethan hat! Aber es ging nicht anders.«
»Wir bekamen den Baron in die Hand, und an dem Brandt hast Du es ja wieder gut gemacht!«
»Wo er nur stecken mag?«
»Der ist todt, sonst hätte man doch wohl wieder einmal etwas von ihm gehört.«
»Das ist’s ja eben! Wenn wir damals mit der Wahrheit hervorgetreten wären, so wäre er gerettet gewesen und hätte nicht aus dem Lande gemußt.«
»Laß die alten Sachen ruhen! Schau, sie müssen auf den Sarg getroffen sein. Die Herren treten näher. Nun wird wohl auch der Fremde erscheinen.«
Dieses Gespräch war nicht etwa zusammenhängend geführt worden, sondern es hatte Zwischenpausen gegeben, in denen die Beiden sich ihre Bemerkungen über Das, was vor ihren Augen vorging, mittheilten. Es hatte eine lange Zeit bis jetzt gedauert, und der Todtengräber schien wirklich mit seiner Arbeit ziemlich zu
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