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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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nehmen?«
    »Aus dem alten Gottesacker in der Nähe der Stadt.«
    »Wie klug! Dort verkehrt Niemand mehr; das würde unentdeckt bleiben. Aber ich werde sie dabei fassen lassen.«
    »Bitte, dabei nicht! Mein Plan ist vielmehr, daß wir ihnen auf dem alten Gottesacker gar nichts in den Weg legen und sie vielmehr erst hier ergreifen. Man muß ihnen Gelegenheit geben, die That vollständig zu vollbringen, dann hat man sie am Festesten.«
    »Ich muß Ihnen da allerdings beistimmen und bitte Sie nur, Ihre Verfügungen zu treffen.«
    »Nicht hier. Es bleibt uns noch genugsam Zeit dazu. Gehen wir jetzt nach der Schänke.«
    »Sie auch mit?«
    »Ja. Der Wirth hat jedenfalls erfahren, daß noch Einer hier ist. Komme ich nicht mit, so könnte er Verdacht schöpfen. Uebrigens war ich bereits vorhin bei ihm.«
    »So kennt er Sie bereits?«
    »Ja, doch in anderer Gestalt. Auch jetzt habe ich Ursache, mich ein klein Wenig zu verändern.«
    An der Wand hing ein kleiner Spiegel. Arndt trat vor denselben hin und zog einen Bart und ein Fläschchen nebst Pinsel aus der Tasche. Als er sich wieder zu ihnen wendete, fuhr der Amtmann zurück.
    »Mein Gott! Ist das möglich?« fragte er.
    »Ja, dieser Vetter hat den wahren Teufel!« lachte der Förster. »Jetzt ist er ein alter Knabe von über sechszig Jahren. Den Bart hinan und die Augenbrauen gefärbt. Und dazu hat der Mensch seine Züge, daß heißt seine Gesichtshaut, sein Physiognomieleder so in der Gewalt, daß er zwischen den Falten, die er zieht, Fliegen und Hornissen todt quetschen kann wie ein alter Markedenterschimmel.«
    Der Beamte betrachtete Arndt noch eine ganze Weile mit nicht enden wollendem Kopfschütteln. Endlich beruhigte er sich und fragte: »Und was wird mit diesem Hause?«
    »Sie nehmen den Schlüssel zu sich und geben ihn dem Todtengräber bei seiner Entlassung wieder. In der Schänke trinken wir einen Grog und fahren dann ab.«
    Das Haus wurde zugeschlossen. Als sie nach der Schänke kamen, saß der Schmied mit seinem Sohne und ihren beiden Frauen in einem ernsten Gespräche am Tische. Sie erhoben sich, um die Herren zu bedienen. Der Alte flüsterte seinem Sohne gelegentlich zu: »Sollte das der Fremde sein?«
    »Jedenfalls.«
    »Der sieht mir gar nicht so gefährlich aus, wie ihn der Todtengräber machte!«
    »Nein. Und von den Polizei-und Gensd’armenaugen bemerkt man auch nichts. Er sieht ganz so aus wie ein alter Advokatenschreiber oder ein Schulmeister.«
    »Na, vielleicht läuft Alles gut ab!«
    Nach kurzer Zeit bezahlten die Gäste, und der Förster, welcher gethan hatte, als ob er den Schmied gar nicht kenne, fuhr vor. Sie stiegen ein, kutschirten zum Dorfe hinaus, gemeinschaftlich nach der Stadt, wie der Amtmann glaubte. Aber kaum hatten sie das Dorf im Rücken, so ließ Arndt halten. Er hob den Sitz in die Höhe, unter welchem sich ein hohler Raum befand, und zog einen anderen Bart nebst Rock, Shawl und Hut daraus hervor.
    »Wie?« fragte der Amtmann. »Abermals eine Maskerade? Wozu denn?«
    »Ich muß noch kurze Zeit hier bleiben, um meine Beobachtungen fortzusetzen. Fahren Sie weiter; ich werde Ihnen dann zu Fuße folgen.«
    Er legte die Sachen an, nachdem er sich überzeugt hatte, daß kein Lauscher in der Nähe sei. Der Beamte begann sein Kopfschütteln von Neuem.
    »Erstaunlich!« sagte er. »Sie sind ein vollständig Anderer! Sie sind außer allem Anderen auch ein Mimiker, der Vorstellungen geben könnte. Wenn es Ihre Absicht sein sollte, in die Schmiede zurückzukehren, so bin ich fest überzeugt, daß man Sie dort nicht erkennen wird.«
    »Ja; es ist völlig gefährlich, einen solchen Verwandten zu haben,« lachte der Förster. »Es kann ja vorkommen, daß ich ihn für mich selbst halte. Und wer von Beiden soll dann meine alte Barbara beim Kopfe nehmen? Ich mag gar nichts mehr sehen!«
    Er griff zur Peitsche und fuhr weiter. Arndt ging um das Dorf herum, so daß er von der anderen Seite die Schänke erreichte, vor deren Thür der Wirth stand. Dieser begrüßte den fremden Gast und fragte nach seinem Begehr, worauf dieser ein Glas Bier verlangte.
    Der Schmied besorgte das Getränk und musterte den Neuangekommenen neugierig. Fremde waren in dem weit abgelegenen Dorfe selten. Er schien befriedigt zu sein, denn er setzte sich zu Arndt und fragte: »Ist’s recht, das Bier?«
    »Nicht übel!« lautete die Antwort, indem der Trinker mit der Zunge schnalzte.
    »Ja, wir schänken hier noch direct aus dem Fasse; da läßt es sich eher trinken, als aus den

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