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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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der beiden Männer war die kleine Grube bald zugefüllt. Das Aufsetzen des Hügels wurde für später gelassen. Man begab sich in die warme Stube, wo das Protocoll aufgesetzt und unterschrieben wurde. Damit hielt der Amtmann die Angelegenheit für vorläufig beendet. Er wollte aufbrechen.
    »Bitte, noch einen Augenblick!« sagte Arndt.
    Und sich an den Todtengräber wendend, fragte er:
    »Haben Sie bemerkt, daß ich an der Mauer gelauscht habe?«
    »Ja,« lautete die Antwort des ahnungslosen Mannes.
    »Und Sie wohl auch, obgleich Sie hier im Hause waren?«
    Diese Frage war an die Frau gerichtet.
    »Ja,« antwortete sie. »Ich stand da am Fenster und habe es deutlich gesehen.«
    »Nun, Herr Amtsrichter, so bitte ich Sie, diese beiden Leute zu arretiren!«
    »Arretiren?« fragte der Beamte.
    »Arretiren!« jammerte das Ehepaar. »Wir haben doch nichts dafür gekonnt, daß wir es sahen!«
    »Das ist sehr wahr,« antwortete Arndt in beruhigendem Tone; »aber Ihr seid selbst schuld daran; Ihr seid zu plauderhaft; das habe ich ja erfahren müssen!«
    »Wir werden nichts erzählen!« gelobte der Mann, und seine Frau beeilte sich, diese Versicherung zu wiederholen.
    Arndt schüttelte den Kopf und erklärte dem Amtmanne:
    »Es ist von der allerhöchsten Wichtigkeit, daß bis morgen kein Mensch erfährt, daß ich an der Mauer gelauscht habe. Die Herren werden als Beamte schweigen; dieser beiden Leute jedoch bin ich nicht sicher. Sie werden die Güte haben, sie mit sich zu nehmen, aber ohne sie als wirkliche Gefangene zu behandeln. Morgen früh werden sie wieder entlassen, und als Entschädigung für diese kurze Freiheitsentziehung werde ich ihnen hier diese zwei Goldstücke geben, die zugleich als Lohn für das Oeffnen des Grabes angesehen werden mögen.«
    Als die beiden Leute die Goldstücke erblickten, verwandelte ihr Schreck sich in Freude, und sie erklärten, gern mitgehen zu wollen. Sie wurden dem Schreiber anvertraut, der sich mit ihnen entfernte, um zu Fuße nach der Stadt zurückzukehren.
    Als sich darauf der Amtmann mit Arndt und dem Förster allein sah, konnte er seine Wißbegierde nicht mehr beherrschen. Er sagte: »Aber jetzt sind wir unter uns. Wollen Sie mich noch länger auf die Folter spannen?«
    »Nein,« antwortete Arndt lächelnd. »Was Sie in scherzhafter Weise für Allwissenheit erklärten, war nichts als eine sehr leichte Berechnung. Die kleine Leiche wurde einst von dem Schmiede und seinem Sohne entfernt, und da –«
    »Alle Wetter!« rief der Förster.
    Der Amtmann sagte nichts, und Arndt fuhr fort:
    »Sie gingen zum Schmied, und der Todtengräber ging auch zu ihm. Er ist ein schlauer Patron; es stand zu erwarten, daß er die Gefahr wittern und den Todtengräber ausfragen werde. Im Falle dieser plaudern sollte, vermuthete ich, daß der Schmied kommen werde, um uns zu beobachten. Und das war nur an der einen Stelle der Mauer möglich.«
    »Das ist keine gewöhnliche Combination und klingt doch so einfach!« meinte der Beamte. »Kam er denn?«
    »Ja, und zwar nicht allein, sondern sogar mit seinem Sohne.«
    »Ah! Diese Beiden sprachen mit einander?«
    »Natürlich!«
    »Und Sie haben Alles gehört?«
    »Jedes Wort.«
    »Mein Herr, ich gestehe ihnen gern und willig, daß ich noch nie einen Mann gefunden habe, der in so horrenter Weise für das Polizeifach prädestinirt ist wie Sie!«
    »Ja, ein Saukerl ist er!« fiel der Förster ein.»Nehmen Sie es mir nicht übel, Vetter, daß ich Sie so nenne, aber es ist wirklich nicht anders, Sie sind ein verfluchter Saukerl! Wenn ich ein Spitzbube wäre, so kriegte ich, sobald ich Sie nur erblickte, die Cholerine vor Angst und Bangigkeit!«
    Die beiden Andern lachten herzlich über diese drastische Weise, seine Bewunderung auszudrücken, und der Amtmann erkundigte sich weiter: »Bitte, was haben Sie von ihnen gehört? Ich bin auf das Außerordentlichste gespannt darauf.«
    »Ich auch,« meinte Wunderlich. »Diese beiden Kerls kennen mich nämlich. Da sie gesehen haben, daß ich mit dabei bin, so werden sie mich mit den lieblichsten Zärtlichkeiten bedacht haben. Hole sie der Kukuk!«
    »Das ist richtig! Sie meinten, daß sie Ihnen schon noch etwas auswischen würden.«
    »Sapperment! Da hat man sich also vorzusehen!«
    »Keine Sorge! Diese beiden Menschen werden sehr bald unschädlich gemacht sein. Sie haben den Entschluß gefaßt, heute bis Mitternacht eine Leiche in das Grab zu legen.«
    »Das also war es! Verwegene Menschen! Aber woher wollen sie die Leiche

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