Der verlorne Sohn
unerwarteten Besuch.
»Sie sind es, Herr!« sagte er. »Willkommen! Bringen Sie Gutes oder Schlimmes?«
»Gutes. Ist Ihre Frau noch wach?«
»Ja; aber soeben wollte sie zur Ruhe gehen.«
»So lassen Sie uns zu ihr gehen. Ich glaube, daß sie heute nicht viel Ruhe finden wird!«
»Weshalb?«
»Kommen Sie nur erst herein!«
Auch die Müllerin freute sich über Arndt’s Kommen und war ebenso neugierig wie ihr Mann, den Grund desselben zu erfahren. Arndt platzte gleich heraus: »Wollen Sie mir helfen, den Waldkönig zu fangen?«
Da erschraken Beide. Wilhelmi sagte:
»Wir? Ihnen? In wiefern denn?«
»Indem ich ihn in Ihre Mühle locke!«
»Herrgott! Das ist zu gefährlich!« sagte die Frau.
»O nein. Wissen Sie, daß ein Preis auf ihn gesetzt ist?«
»Ja. Ich glaube, fünfhundert Gulden.«
»Nun, die sollen Sie sich verdienen.«
»Wir? Fünfhun – hundert Gulden? O, warum denn nicht, wenn keine Gefahr dabei wäre!«
»Nicht die mindeste! Und außerdem werden Sie eine ganz bedeutende Prämie erhalten, denn wir werden auch eine große Anzahl Pascher hier fangen und ihnen viele theure Waaren abnehmen.«
Prämie? Das klang der Frau wie Musik in den Ohren. Aber sie hatte doch ihre Bedenken:
»Es wird gewiß sehr schwer sein?«
»Nein.«
»Oder gefährlich?«
»Auch nicht.«
»Der Waldkönig wird sich an uns rächen!«
»Er wird unschädlich sein.«
Der Müller hatte sich von seiner ersten Ueberraschung erholt. In so kurzer Zeit so viel Geld zu verdienen, das deuchte ihm ganz angenehm. Darum sagte er: »Dürfen wir erfahren, welchen Plan Sie haben?«
»Gewiß! Es giebt heute, wie ja immer, zwei Truppen Pascher: eine von drüben und eine von hüben. Die erstere bringt die Packete. Ich gebe mich für den Waldkönig aus und führe sie hierher. Sie legen die Packete in Ihrem Keller ab, und dann führe ich sie in diese Stube, indem ich thue, als ob sie hier einen Kaffee oder dergleichen erhalten sollten.«
»Die Pascher? Herein zu uns?« fragte die Frau, indem sie die Hände zusammenschlug.
»Fürchten Sie sich?«
»Natürlich! Jedermann würde sich da fürchten!«
»Aber Sie stehen ja unter meinem Schutze!«
»Was können Sie gegen so viele Leute!«
»Ich bin nicht allein. Es kommen sechszig Grenzer und Gensd’armen, welche sich drüben in der Mühle verstecken werden. Haben Sie auch nun noch Angst?«
»Sechzig? So viele? O, da brauchte es Einem vielleicht doch nicht bange zu sein.«
»Also wollen Sie?«
»Aber die Andern?«
»Nun, erst nehmen wir die Einen fest, und erst dann hole ich die Anderen.«
»Auch in die Stube?«
»Nein. Die werden in den Keller gelockt.«
»Hm! Mann, was sagst Du dazu?«
»Ich habe Vertrauen zu diesem Herrn.«
»Nun, wenn Du willst, so habe ich es auch.«
»Gut!« sagte Arndt. »So merken Sie sich das: Sie stellen Kaffeetassen auf die beiden Tische, welche Sie zusammenschieben. Wenn ich Ihnen dann sage, daß Sie den Kaffee bringen sollen, gehen Sie zwar nach der Küche, aber von dort schnell in die Mühle, um den Grenzern zu sagen, daß sie kommen sollen. Das Uebrige findet sich dann von selbst.«
»Kaffee brauche ich also demnach nicht zu kochen?«
»Nein. Aber den Schlüssel zum Keller werde ich mir ausbitten, und eine Laterne. Der Waldkönig soll in demselben Keller gefangen werden, den er pachten wollte.«
»Hier ist der Schlüssel.«
»Gut. Ich gehe jetzt. Wenn die Grenzer kommen, so machen Sie sie mit dem bekannt, was ich Ihnen gesagt habe. Ihr Hof hat eine Pforte?«
»Ja, links hinaus.«
»Durch diese werden wir hereinkommen.«
Er nahm die Laterne, welche noch nicht brannte, und stellte sie draußen vor die Kellerthür. Eben als er durch die hintere Pforte trat, bemerkte er, daß die Grenzer vorn angekommen waren. Man hatte ihm also doch den Willen gethan. Er eilte vor, erblickte den Obergensd’arm und fragte: »Ist Ihnen Jemand begegnet?«
»Nein, auch glaube ich nicht, daß wir von irgend einer Person gesehen worden sind.«
»Das ist schön. Treten Sie ein! Die Müllersleute werden Ihnen meinen Plan mittheilen.«
Jetzt nun begab er sich nach dem Haingrunde. Es war noch kein Mensch zu sehen, und auch im Schnee zeigte sich keine Fußspur. Er wanderte fort, und eben als er den jenseitigen Ausgang des Grundes erreichte, sah er eine Reihe von Gestalten, welche, Einer hinter dem Anderen schreitend, mit Packeten auf dem Rücken auf ihn zukamen.
Er stellte sich hinter einen Baum und band die bereit gehaltene schwarze Maske vor. Als sie näher
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