Der verlorne Sohn
kamen, bemerkte er, daß Einige, aber bei Weitem nicht Alle, Gewehre in der Hand trugen. Der Erste wollte an dem Baume vorüber, da trat Arndt vor. Der Mann erhob die Flinte, ließ sie aber sofort wieder sinken, als Arndt mit der rechten Hand nach dem rechten Auge griff.
»Sind schon Alle da?« fragte der Mann.
»Nein. Die Luft ist nicht rein. Kommt nach der rothen Mühle. Dort ist es sicherer.«
Er drehte sich, ohne ein weiteres Wort zu sagen, um und schritt ihnen voran. Die Männer folgten hinter ihm her. Auch sie trugen Masken. Es war klar, daß sie ihn für den Waldkönig selbst oder dessen Abgesandten hielten.
Er ging nicht im Grunde zurück, sondern er führte sie in den Forst hinein, gerade die Richtung, in welcher die Mühle lag, deren hintere Seite sie nach kurzer Zeit erreichten.
»Weiß es der Müller?«
»Natürlich!«
»Ist er einer der Unsrigen?«
»Ich habe seinen Keller gepachtet.«
»Gescheit! Das ist bequem!«
Er führte sie in den Hof, wo kein Mensch zu sehen war, brannte die Laterne an und öffnete mit dem Schlüssel die Kellerthür. »Hier hinein!«
Er selbst trat ihnen voran. Sie folgten ihm, und ein Jeder legte sein Paket lautlos ab. Fast Alle rieben sich dann die Hände, da heute die Kälte eine wahrhaft schneidende war. Der, welcher bisher der Sprecher gewesen war, meinte: »Ist der Müller sicher?«
»Vollständig.«
»Hm! Die Mühle geht, er ist also noch wach?«
»Ja.«
»Sapperment! Wenn man etwas Warmes bekommen könnte! Hier sind wir sicher. Drei Stunden laufen bei dieser grimmigen Kälte, das ist nichts Kleines! Würden Sie es erlauben, Herr?«
Nichts konnte Arndt erwünschter kommen, als diese Frage.
»Ich habe bereits auch daran gedacht,« sagte er, »und Euch einen Kaffee bestellt.«
Ein Murmeln der Zufriedenheit durchlief die Reihe der Männer. Der Eine sagte:
»Ja, hier ist es anders, als draußen im Freien: erstens gemüthlicher, und zweitens sicherer. Einmal zur Thür hinein, so ist man geborgen. Aber wo trinken wir?«
»Die Tassen stehen drin auf den Tischen. Wollt Ihr aber lieber gleich hier trinken, so ist mir’s recht.«
»O nein; drin ist es wärmer.«
»So kommt!«
»Ja. Drin können wir auch gleich die Factura in Ordnung bringen, Herr!«
Arndt führte sie in die Stube, wo auf den Tischen die einladenden Tassen zu sehen waren. Zu seiner Freude legten Diejenigen, welche Gewehre trugen, diese gleich in der Ecke ab; er blieb natürlich dabei stehen, während sie sich an die Tische setzten.
Jetzt trat die Müllerin herein. Ihr Gesicht war sichtlich verlegen, doch konnte das gar nicht befremden. Beim erstmaligen Besuche solcher Leute hätte auch eine jede andere Frau ein nicht ganz sicheres Benehmen gezeigt.
»Bringen Sie den Kaffee herein!«sagte Arndt zu ihr.
Sie ging in die Küche; aber bereits im nächsten Augenblicke hörte sein scharfes Ohr ihren leisen Schritt, und dann das Knarren der Mühlenthür. Andere Schritte huschten dann über den Flur herüber. Jedenfalls horchte man nun an der Thür auf das Commandowort zum Oeffnen. Er griff in die Taschen, zog zwei Revolver hervor, spannte sie, hielt sie den Leuten entgegen und sagte:»Jetzt kommt das Warme, welches ich Euch versprochen habe. Wer von Euch sich rührt, der erhält eine Kugel! Herein!«
Das letzte Wort war laut und gebieterisch gerufen. Die Thür öffnete sich, und im Moment füllte sich das Zimmer mit Bewaffneten.
Ein einziger, aber vielstimmiger Schrei des Schreckes erscholl aus dem Munde der betrogenen Pascher; aber sie sahen so viele Gewehrläufe auf sich gerichtet, daß sie erkannten, daß Widerstand der reine Wahnsinn sei.
»Verdammter Kerl dort, das büßest Du uns!«
Dieses Wort rief der, welcher bisher den Sprecher gemacht hatte. Es war das Einzige, welches gesprochen wurde.
»Haben Sie Fesseln mit, Herr Obergensd’arm?« fragte Arndt.
Der Genannte lachte froh über den gelungenen Streich und antwortete:
»Keine Sorge! Mit Stricken sind wir genugsam versehen. Bindet sie Alle. Wer sich wehrt, wird so fest geschlossen, daß ihm das Blut aus dem Fleische spritzt!«
Diese Drohung wirkte: Die Gefangenen ließen sich binden, ohne sich zu sträuben. Der Obergensd’arm wendete sich dann mit der leisen Frage an Arndt:»Was aber nun?«
»Wir schaffen sie hinüber in die Mühle. Man kann nicht wissen, wer hier noch Zutritt nimmt.«
»Denken Sie, daß wir sie drüben ebenso sicher haben wie hier?«
»Warum nicht? Sie sind gefesselt, und außerdem erhält ein Jeder einen Mann
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