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Der Vermesser (German Edition)

Der Vermesser (German Edition)

Titel: Der Vermesser (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Clark
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kürzester Zeit anrücken, um ihn hier herauszuholen, das war so sicher wie das Amen in der Kirche. Ein ganzes Bataillon wahrscheinlich, mit Lampen und Rasseln und weiß der Teufel was sonst noch. Dann säße Tom in der Patsche.
    »Meine kleine Kreuzblume. Es ist so dunkel.«
    Das war mehr gehaucht als gesprochen. Der Mann hatte also den Kopf nicht unter Wasser. Aber er lag immer noch da und machte keine Anstalten, wieder auf die Beine zu kommen. Das Wasser stieg inzwischen noch schneller. Wenn ihm niemand half, würde es binnen einer Stunde über ihm zusammenschwappen. Würden dann ganze Suchtrupps hier herunterkommen, um nach dem Ertrunkenen zu suchen? Tom war unschlüssig. Lady stupste ihn mit der Schnauze. Schließlich öffnete er die Blende seiner Laterne.
    Es war kein Polyp. Tom atmete erleichtert auf. Aber wer immer es war, er befand sich in einem erbärmlichen Zustand, so viel stand fest. Er hatte seinen Hut verloren; Haare und Backenbart waren so mit Schlamm und Kot verklebt, dass man nicht sagen konnte, welche Farbe sie hatten. Sein kreidebleiches Gesicht war überzogen mit Schlamm. Das Merkwürdigste aber war seine Kleidung. Die Herren, die vom Parlament hier herunterkamen, waren vom Scheitel bis zur Sohle in gefettetes Leder gewandet – wohl aus Angst, ihre zarten Hände könnten durch einen Spritzer Kot besudelt werden. Anders dieser Mann. Seine Kleidung war völlig durchnässt und starrte vor Schmutz und Unrat aus den Abwasserkanälen; er trug normale Straßenkleidung, einen Wollmantel und eine Halsbinde, und die Sachen waren nicht einmal geflickt. Sein Hemd hatte vorn Knöpfe, richtige Knöpfe, und in seiner Halsbinde steckte eine Nadel. Allem Anschein nach aus Gold, dachte Tom und begutachtete sie mit dem geübten Blick des Kanaljägers. Wer zum Teufel war dieser Mann?
    Und dann, wie aus heiterem Himmel, schlug der Kerl die Augen auf und starrte Tom an. Sein Blick war so eindringlich, als wollte er sich sein Gesicht für alle Ewigkeit einprägen. Der Hinkende Gil hatte drei Monate in Millbank gesessen. Tom stockte der Atem.
    »Mr. Rawlinson?«
    Die Worte waren glasklar, laut und deutlich. Tom stutzte. Unverkennbar die Stimme eines feinen Herrn, aber sonst ließ nichts an ihm auf einen Gentleman schließen. Um es geradeheraus zu sagen: Der Mann war komplett verrückt, schätzte Tom. Das grimassenhafte Lächeln und das Augenrollen, die beschwörende Geste, mit der er die Arme in die Luft streckte – man konnte sich dieses Geschöpf unschwer neben anderen Irren auf dem schmutzigen Strohboden eines Tollhauses vorstellen.
    »Sind Sie es, Mr. Rawlinson?«
    Der Mann zupfte ihn am Ärmel. Tom verzog das Gesicht. Kein vernünftiger Mensch würde auf ein solches Gefasel etwas geben, selbst wenn sich sein konfuser Geist später an irgendetwas erinnern sollte. Es kam jetzt einzig und allein darauf an, den Mann so schnell wie möglich aus den Kanälen zu schaffen. Nach kurzem Zögern nickte Tom.
    »Ganz recht«, sagte er und hielt die Laterne so nah an das Gesicht des Mannes, dass er geblendet wurde. Man konnte nicht vorsichtig genug sein. »Rawlinson. Ja, das bin ich.«
    Im grellen Licht kniff der Mann die Augen zusammen.
    »Ist … ist das die Morgendämmerung?«
    Tom musste unwillkürlich grinsen. Der Kerl war übergeschnappt, sonnenklar. Er würde Tom eher für das Nilpferd im Zoo halten als ihn bei den Polypen verpfeifen. Tom packte den Mann unter den Achseln, hievte ihn auf die Beine und legte sich seinen Arm um die Schultern. Der Kerl würde Tom nicht viel Mühe bereiten, trotz seiner triefend nassen Kleidung. Er war ja nur Haut und Knochen.
    »Bleib hier, Lady«, murmelte Tom und beugte sich zu der Hündin hinunter. »Braves Mädchen. Bin gleich wieder da.«
    So schnell er konnte, schleppte er den Mann durch den Tunnel. Der Fremde ließ den Kopf auf Toms Schulter sinken. Sie waren fast schon am Keller angelangt, als er erneut losbrabbelte.
    »Wir müssen sie begraben«, sagte er laut und vernehmlich. »Die Toten.«
    Gemächlich wie ein Schlafwandler griff er in seine Tasche und zog ein Messer heraus, dessen Klinge rotbraun war von getrocknetem Blut. Tom zuckte erschrocken zusammen. Er spürte Wut im Bauch. Schnell entwand er dem verrückten Kerl das Messer und schubste ihn durch den Spalt in den Keller. Auf dem schmutzigen Boden sank der Mann zusammen, doch Tom packte ihn an den Handgelenken und zerrte ihn die flachen Kellerstufen hoch auf die Gasse. Sein Kopf polterte gegen die Stufen wie ein

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