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Der Vermesser (German Edition)

Der Vermesser (German Edition)

Titel: Der Vermesser (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Clark
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aber sie war immer trocken, auch bei Flut. Hier würden sie eine Zeit lang in Sicherheit sein, das wusste Tom. Er setzte Lady ab und lehnte sich gegen die Mauer. Hund und Herrchen atmeten schwer.
    Der Mann kam näher. Er bemühte sich nicht, leise zu sein, vielmehr brabbelte er unablässig vor sich hin und gab ein merkwürdig gepresstes Stöhnen von sich wie eine billige Hure. Bestimmt kein Ausspüler. Ausspüler waren immer zu zweit oder zu dritt unterwegs. Außerdem erkannte man sie schon von weitem an dem schmatzenden Geräusch, wenn sie die Füße aus dem Schlamm zogen. Offenbar musste man sich, wenn man Ausspüler war, so staksig bewegen. Bill behauptete gern, das liege daran, dass die Ausspüler, die ja nicht gerade zu den hellsten Köpfen zählten, sich ihr Essen in die Stiefel steckten; und da hätten sie bei jedem Schritt eine Heidenangst, es könne zermatscht werden. Aber den Geräuschen nach zu urteilen, kümmerte sich dieser Eindringling hier nicht im Geringsten darum, wohin er den Fuß setzte. Tom hörte das Plantschen seiner Schritte im Wasser und sein Fluchen, wenn er stolperte. Er kam immer näher. Ausgerechnet heute, dachte Tom ärgerlich. Scherereien konnte er jetzt wirklich nicht gebrauchen. Er neigte den Kopf und lauschte. Die Worte waren jetzt deutlicher zu verstehen, auch wenn sie keinen Sinn ergaben und wild durcheinander purzelten, als ob sie miteinander stritten.
    »Warum lässt du mich hier zurück? Es ist so dunkel, so fürchterlich dunkel. Hab keine Angst, William. Hab keine Angst, mein süßer kleiner William. Ich bin bei dir. Auch wenn du ganz allein das Tal des Todes durchschreitest, wird Gott dich führen und trösten. Der barmherzige Gott steht denen bei, die ihre Pflicht erfüllen. Hast du deine Pflicht erfüllt? Sag schon! Pflanz dein Bajonett auf, May. Wer weiß, wo sie sich versteckt halten. Du darfst nicht einschlafen. O mein Gott, warum hast du mich verlassen? Ich fürchte mich nicht vor der Dunkelheit. Im hellen Licht wird sichtbar, was wir wirklich getan haben. Es ist so verdammt dunkel. Ich habe meine Pflicht erfüllt. Gott und dem Empire gedient. Wie kann ich marschieren, wenn der Weg schlüpfrig ist vom Blut? Es gibt weder Himmel noch Hölle, hörst du? Nur Dunkelheit. Blut und Scheiße und Dunkelheit bis in alle Ewigkeit. Lieber Gott, wo sind sie bloß? Wo sind die anderen?«
    Jetzt konnte Tom den Mann riechen. Das stinkende Wasser trug ihm einen schwachen Duft nach Seife und Wäschestärke zu, und die seltsame Geruchsmischung ließ ihm die Nackenhaare zu Berge stehen. Er legte Lady beruhigend die Hand auf den Rücken.
    »Aber du hast es ihnen gegeben. Es waren hundert, tausend, aber du hast es ihnen gegeben. Ich war da. Ich habe meine Pflicht erfüllt. Ich hab sie erledigt. So. Und so. Oder etwa nicht? William würde niemals davonlaufen. Nicht mein William, mein tapferer, süßer kleiner William, mein kleiner Junge. Warum ist es bloß so dunkel? Gott, hab Erbarmen! Du hast dich von mir abgewandt und mir die Seele aus dem Leib geschnitten! Nennst du das Erbarmen? Antworte mir, verdammt! Gott im Himmel, so viel Blut. Ströme von Blut. Ich ertrinke, hörst du mich? Ich ertrinke in Blut. Ich bekomme keine Luft! Du glaubst, du kannst mich erschrecken? Allmächtiger Gott, der in jedes Menschen Herz schauen kann. Willst du einen Blick in meines werfen? Zu dunkel, sagst du? Verflucht seist du, hörst du mich, fahr zur Hölle! Wird es denn niemals wieder hell? Beruhige dich, kleiner William, pssst. Es war nur ein Traum. Es ist immer noch Nacht. Es wird immer Nacht bleiben. In der Hölle geht die Sonne nicht auf. Das Blut fließt so schnell, dass ich kaum gehen kann. Wir haben sie erledigt, nicht wahr? Wir haben es ihnen gegeben. So. Und so. Und so. Warum, warum ist es bloß so schrecklich dunkel?«
    Ein lautes Platschen, dann ein dumpfer Schlag. Tom hörte ein lang gezogenes leises Stöhnen wie bei einem Kaninchen, das in die Falle gegangen ist. Das Stöhnen erstarb und verlor sich im Rauschen des Wassers. Im Tunnel kehrte erneut Stille ein. Tom kroch zum Höhlenausgang. Der Fremde musste seine Laterne fallen gelassen haben, als er zu Boden sank. Es war stockdunkel. Tom fluchte leise. Er hatte Geschichten gehört von Herren der Regierung, die sich in den Tunneln verirrten und den Verstand verloren. Oder vielleicht war es ein Polizist, der einen Wink bekommen hatte und jetzt hier herumschnüffelte. Das hätte gerade noch gefehlt. Und wenn dem so war, würden seine Kumpel in

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