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Der Vermesser (German Edition)

Der Vermesser (German Edition)

Titel: Der Vermesser (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Clark
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alles dafür geben, um deinen Posten zu bekommen. Glaubst du etwa, sie halten dir die Stelle frei, während du Ohnmachtsanfälle hast wie ein zart besaitetes Frauenzimmer?«
    William lehnte sich an den Türpfosten. Das Treppensteigen hatte ihn erschöpft, ihm zitterten die Knie. Er hatte stark abgenommen. Die Hose schlotterte ihm um die Hüften, und das Fleisch unter seinen Wangenknochen schien wie mit einem Löffel herausgekratzt. Das Haar stand ihm in zotteligen Büscheln zu Berge. Er ähnelte dem Mann, der von der Krim zu ihr zurückgekehrt war. Polly hielt den Blick starr auf den Kamin gerichtet.
    »Ich werde es ihnen sagen müssen«, begann William mit ruhiger Stimme. »Das mit dem Mord. Es ist meine Pflicht als Mitarbeiter der Behörde. Das verstehst du doch, oder?«
    Als Polly herumwirbelte, rot vor Zorn, zuckte er zusammen.
    »Was ist eigentlich mit dir los?«, schrie sie. »Willst du uns zugrunde richten? Willst du das? Sag!«
    »Polly, bitte. Natürlich nicht. Natürlich möchte ich nicht, dass wir Scherereien bekommen, aber die Abwasserkanäle sind Eigentum der Behörde. Wenn dort unten ein
Mord
geschehen ist …«
    »Ein Mord? Jetzt hör mir genau zu, du blinder, wirrköpfiger Trottel. Wenn tatsächlich ein Mord geschehen ist, dann solltest du verdammt noch mal hoffen, dass es nie herauskommt. Glaubst du vielleicht, sie bedanken sich herzlich und geben dir eine halbe Krone dafür? Du mit deinen … mit deinen widerlichen Schnittwunden am ganzen Körper und dem blutigen Messer in der Hosentasche? Ich hab das Messer gefunden, William. Ich hab es gefunden. Es sieht nicht gut aus für dich, meinst du nicht auch? Und wenn du hingehst und etwas von einem Mord erzählst – auf wen, glaubst du wohl, wird der Verdacht fallen?«

XV
    D ie Angaben des Captain waren zwar nur vage gewesen, doch Tom hatte Glück. Nach ein paar hundert Metern stießen er und Lady auf die Leiche. Zuerst drang Tom ihr Geruch in die Nase. Ein intensiver, unverwechselbarer Geruch nach Blut, von ekliger Süße, so wie Blut riecht, wenn es anfängt zu trocknen. Und der Gestank nach Scheiße. Bevor der Kerl sein Fett abgekriegt hatte, hatte er sich die Hosen voll gekackt. Wer hätte geglaubt, dass man einen solchen Gestank hier unten würde herausriechen können, wo man schon einen halben Meter tief in Fäkalien steckte; aber Abwasser roch irgendwie anders. Kräftiger und gehaltvoller. Der Mann war schon eine ganze Weile tot. Zwei Tage, schätzte Tom, aber die Kälte in den Tunneln hatte die Leiche frisch gehalten.
    Bis auf die Haare war die Leiche nahezu trocken. Die Flut hatte sie per Zufall bis zu einer Engstelle in einem der schmaleren Tunnel getragen, die vom Abwasserkanal in der Dean Street abzweigten; dort steckte sie fest, ohne von Wasser umspült zu werden. Tom presste die Schulter gegen den toten Körper, der nachgab wie feuchter Lehm, ohne sich jedoch von der Stelle zu bewegen, weder vorwärts noch rückwärts. Der Kanal war tief, und selbst bei Flut würde die Leiche nicht von Wasser überschwemmt werden. Die Strömung war nicht stark genug, um sie woandershin zu transportieren, jedenfalls nicht bis im März die Springflut einsetzte. Tom lächelte in sich hinein. Du sorgst dafür, dass man ihn nicht findet, hatte der Captain ihm gesagt. Solange die Polypen keine Leiche hatten, konnten sie seinem Freund auch nichts anhängen. Aber der Captain hatte das Geld seines Freundes unnütz verschwendet. Die Strömung hatte die Arbeit bereits für ihn erledigt. Selbst Tom hätte kein sichereres Versteck finden können.
    Tom sah sich die Leiche genauer an. Ein feiner Herr, vornehm gekleidet in dunklem Anzug und Überzieher, was Tom nicht weiter verwunderte. Was ihn überraschte, war der Zustand der Leiche. Ehrlich gesagt, hatte er Pfuschwerk erwartet; so hatte es ihm der Captain kopfschüttelnd und mit zerfurchter Stirn angedeutet, als wäre er nicht gerade angetan, die Suppe für jemand anderen auslöffeln zu müssen. Ein Unfall, hatte Tom angenommen, ein Schlag auf den Hinterkopf oder ein Pistolenschuss. Doch dieser Anblick hätte selbst einem Seemann den Magen umgedreht. Man hatte dem Mann die Kehle durchgeschnitten, so dass der Kopf, fast vom Körper abgetrennt, nach hinten gefallen war wie der Deckel eines Bierkrugs. Doch das war noch nicht mal das Schlimmste. Sein Oberkörper war eine breiige Masse aus Blut und zerschmettertem Fleisch, der dunkle Westenstoff mit der gestärkten Hemdbrust zu einem scharlachroten Wust verkrustet. Um

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