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Der Verräter von Westminster

Der Verräter von Westminster

Titel: Der Verräter von Westminster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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dass Fiachra in Bezug auf so mancherlei mein Freund ist, ich mich aber nicht auf ihn verlassen kann, wenn bei der Sache eine andere Lösung herauskommt, als ich vermutet hatte.«

    »Es gibt also eine, die du vermutest?«
    »Das habe ich dir doch gesagt: Ich nehme an, dass Cormac O’Neil eine ideale Methode entdeckt hat, sich an mir zu rächen, und die hat er genutzt.«
    »Für etwas, was zwanzig Jahre zurückliegt?«, fragte sie in zweifelndem Ton.
    »Niemand in Europa hat ein längeres Gedächtnis als die Iren.« Er biss in seinen Toast.
    »Und haben sie auch so viel Geduld?«, fragte sie ungläubig. »Normalerweise werden Menschen tätig, weil sich irgendwo etwas verändert hat. Das ist der gemeinsame Nenner von Staatsverbrechen und gewöhnlichem, alltäglichem Mord. Etwas, was neu auf der Bildfläche erschienen ist, muss O’Neil – oder wer auch sonst immer dahintersteckt – veranlasst haben, das gerade jetzt zu tun. Unter Umständen hat sich die Möglichkeit dazu erst jüngst ergeben, ebenso gut aber kann es sein, dass er jetzt den richtigen Zeitpunkt für gekommen hielt.«
    Er verzehrte den Rest der Scheibe Toast, bevor er antwortete. »Du hast natürlich Recht. Der Haken ist nur, dass ich nicht weiß, welcher dieser Gründe zutrifft. Ich beschäftige mich schon lange gründlich mit der Lage in Irland und vermag keinerlei Anlass dafür zu erkennen, dass O’Neil das gerade jetzt getan hat.«
    Ein äußerst unangenehmer Gedanke kam ihr und ließ sie innerlich erschauern. »Müsste er sich dann nicht auch klar darüber sein, dass seine Handlungsweise dich hierherbringen würde?«, fragte sie.
    Narraway sah sie aufmerksam an. »Du meinst, dass er mich hier haben möchte? Ich bin sicher, wenn er mich umbringen wollte, wäre er dazu nach London gekommen. Wenn ich der Ansicht gewesen wäre, dass es hier um Mord geht, hätte ich nicht zugelassen, dass du mich begleitest, Charlotte. Bitte billige mir zu, dass ich so weit vorausgedacht habe.«

    »Entschuldigung«, sagte sie.
    »Um deiner selbst willen kann ich dir nicht alles sagen, was ich weiß«, räumte er ein, »weder was Irland, noch was andere Dinge betrifft. Ich wüsste keinen Grund, warum sich O’Neil – oder auch sonst jemand – ausgerechnet jetzt zu diesem Schritt entschlossen hat. Unbestreitbar hat jemand, der in Dublin über sehr gute Beziehungen verfügen muss, das für Mulhare bestimmte Geld an sich gebracht, um auf diese Weise zu erreichen, dass der arme Teufel umgebracht wurde. Anschließend hat er es auf das besagte Konto zurücküberwiesen und dafür gesorgt, dass Austwick und Croxdale darauf aufmerksam wurden, was – ganz wie gewünscht – zu meiner Entfernung aus dem Amt geführt hat.«
    Er goss sich Tee nach. »Vielleicht hat O’Neil die Sache gar nicht selbst in Gang gesetzt, sondern lediglich als williges Werkzeug gedient. Ich habe mir im Laufe der Zeit viele Feinde gemacht. Das bringen Wissen und Macht zwangsläufig mit sich.«
    »Dann überleg dir, welche anderen Feinde das sein könnten«, drängte sie ihn. »Bei wem haben sich die Umstände geändert? Gibt es jemanden, dem ihr vielleicht zu dicht auf den Fersen wart?«
    »Meinst du wirklich, meine Liebe, dass ich daran nicht gedacht habe?«
    »Und du meinst nach wie vor, dass es O’Neil ist?«
    »Vielleicht hängt das einfach mit meinem schlechten Gewissen zusammen.« Er lächelte so flüchtig, dass es kaum seine Augen erreichte und gleich wieder verschwunden war. »›Der Gottlose flieht, und niemand jagt ihn‹«, zitierte er. »Aber auf jeden Fall gibt es in diesem Zusammenhang ein Wissen, das ausschließlich mit der Angelegenheit vertraute Menschen besitzen können.«
    »Oh.« Sie goss sich ebenfalls noch einmal Tee ein. »Dann sollten wir besser mehr über O’Neil in Erfahrung bringen.
Man hat ihn gestern Abend erwähnt, denn ich habe gesagt, dass meine Großmutter Christina O’Neil hieß.«
    Er schluckte. »Wie hieß sie in Wirklichkeit?«
    »Christine Owen«, gab sie zur Antwort.
    Er lachte, aber es klang nicht fröhlich, sondern eher ein wenig traurig. Sie sagte nichts, aß ihren Toast auf und leerte ihre Tasse.
    Den Vormittag und den größten Teil des Nachmittags hindurch las sie so viel wie möglich über die Geschichte Irlands. Dabei merkte sie, wie groß ihre Wissenslücken waren, und sie schämte sich ein wenig dafür. Da das Land so nahe an England lag und die Engländer es über Jahrhunderte hinweg gewissermaßen besetzt gehalten hatten, war seine Geschichte in

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