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Der Verräter von Westminster

Der Verräter von Westminster

Titel: Der Verräter von Westminster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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leidvoller Erfahrung selbst. Allerdings habe ich keine Ahnung, was er hier treibt. Ich hatte angenommen, ihm sei unbekannt, dass wir hinter ihm her sind, aber da habe ich mich vielleicht getäuscht.« Die Schlussfolgerung, die sich daraus ergab, ließ er unausgesprochen.
    »Wir haben uns vorgesehen«, sagte Gower und tat, als überlege er. »Aber warum hält er sich hier bei Frobisher auf, wenn er nichts anderes im Sinn hat, als uns zu entkommen? Er könnte doch nach Paris weiterfahren oder sonstwohin?« Er stellte sein Glas auf das Tischchen und sah Pitt an. »Günstigstenfalls ist er ein Revolutionär und schlimmstenfalls ein Anarchist, der jede Ordnung umstoßen und Chaos an ihre Stelle setzen will.« In seiner Stimme lag beißende Verachtung. Sofern die gespielt war, fand Pitt, gehörte der Mann unbedingt auf die Bühne.
    Er überdachte seinen Plan erneut. »Vielleicht wartet er hier auf jemanden und fühlt sich so sicher, dass er gar nicht auf uns achtet«, gab er zu bedenken.
    »Wie wäre es, wenn derjenige, der erwartet wird, so wichtig ist, dass Wrexham das Risiko eingehen muss?«, hielt Gower dagegen.

    »Damit haben Sie wohl Recht.« Pitt setzte sich bequemer hin. »Aber das kann dauern. Möglicherweise würden wir es nicht einmal merken, wenn es so weit ist. Ich denke, dass wir noch viel mehr Informationen brauchen.«
    »Etwa von der französischen Polizei?«, fragte Gower in zweifelndem Ton. Auch er veränderte seine Haltung, wirkte aber eher ein wenig angespannt, als wolle er jeden Augenblick aufstehen.
    Pitt zwang sich, es ihm nicht gleichzutun. Er musste unbedingt den Eindruck völliger Gelöstheit erwecken.
    »Die haben unter Umständen andere Interessen als wir«, fuhr Gower fort. »Trauen Sie denen überhaupt, Sir? Wollen Sie denen tatsächlich sagen, was wir über Wrexham wissen und warum wir hier sind?« Sein Ausdruck war besorgt, seine Stimme klang kritisch, so, als hindere ihn lediglich seine untergeordnete Stellung daran, sich deutlicher auszudrücken.
    Pitt zwang sich zu einem Lächeln. »Natürlich nicht. Wir haben weder eine Vorstellung davon, was die Leute wissen, noch eine Möglichkeit, auf seinen Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen, was sie uns vielleicht sagen. Außerdem decken sich unsere Interessen womöglich in der Tat nicht mit den ihren. Vor allem aber möchte ich nicht, dass sie wissen, wer wir sind – da bin ich mit Ihnen ganz und gar einig.«
    Gower zwinkerte rasch. »Und was schlagen Sie vor, Sir?«
    Das war die einzige Chance, die Pitt haben würde. Er wäre gern aufgestanden, um reagieren zu können, falls ihn Gower plötzlich angriff. Doch er zwang seine Muskeln, sich zu entspannen, und blieb scheinbar bequem sitzen. Er ließ sich ein wenig weiter nach vorn gleiten und streckte die Beine, als sei er müde – was ihm nach seinem langen Fußmarsch nicht schwerfiel. Gott sei Dank hatte er gute Stiefel, auch wenn sie jetzt staubig und abgestoßen waren.

    »Ich denke, dass ich nach London fahre und mich erkundige, was es in Lisson Grove Neues gibt«, sagte er. »Unter Umständen haben die da inzwischen eine ganze Reihe von Informationen, die sie uns nicht weitergegeben haben. Sie halten hier die Stellung bis zu meiner Rückkehr und achten weiterhin auf jede Bewegung Frobishers und Wrexhams. Mir ist bewusst, dass diese Aufgabe für einen Einzelnen unmäßig schwierig ist, aber uns ist bisher noch nie aufgefallen, dass die Leute nach Einbruch der Dunkelheit etwas anderes getan hätten, als Gäste zu empfangen.« Er wollte noch etwas hinzufügen, die Sache weiter erklären, begriff aber rechtzeitig, dass er damit nur Verdacht erregen würde. Als Gowers Vorgesetzter hatte er es nicht nötig, sich zu rechtfertigen.
    »Ja, Sir, wenn Sie das für das Beste halten. Wann werden Sie zurück sein? Soll ich Ihr Zimmer für Sie freihalten?«, erkundigte sich Gower.
    »Ja – bitte. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich länger als zwei, höchstens drei Tage bleiben werde. Ich habe den Eindruck, dass wir im Augenblick im Dunkeln tappen.«
    »In Ordnung, Sir. Wie wäre es jetzt mit Abendessen? Ich habe heute ein neues Gasthaus entdeckt. Da gibt es die beste Muschelsuppe, die Sie je gegessen haben.«
    »Guter Gedanke.« Pitt stand ein wenig steif auf. »Ich nehme gleich morgen früh die erste Fähre.«
     
    Der nächste Tag war diesig und deutlich kühler. Pitt hatte sich mit voller Absicht für die erste Fähre entschieden, um nicht gemeinsam mit Gower frühstücken zu müssen. Er

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