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Der Verrat

Der Verrat

Titel: Der Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Eisler
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gelernt, sich nicht allzu sehr nur auf einen Transportweg zu verlassen. Die verschicken in kleinen, gut verteilten Mengen. Selbst wenn dann eine Lieferung abgefangen wird, kommt doch das meiste durch. Und alles in allem erschwert es diese Methode erheblich, auch nur abzuschätzen, wie umfangreich die Lieferungen sind. Belghazi war ziemlich viel unterwegs, wie Sie wissen. Wir haben Anrufe aus Kuala Lumpur und Bangkok abgefangen.«
    »Ja, ich weiß, dass er zwischendurch nicht in Macau war«, sagte ich. Delilah hatte mir ja gesagt, dass er Termine in der Region hatte. Ich dachte kurz nach, überlegte, ob sich da vielleicht eine Gelegenheit bot. »Wie genau können Sie ihn in diesen anderen Städten lokalisieren?«, fragte ich.
    »So präzise wie in Macau auch. Also nicht besonders. Die Ortung funktioniert nur so lange, wie er telefoniert, und er neigt dazu, sich kurz zu fassen. Sobald er aufgelegt hat, wissen wir nur, wo der Anruf herkam.«
    Ich nickte. Damit würde ich nichts anfangen können, falls Belghazi sich immer nur kurz irgendwo aufhielt. Meine beste Chance war immer noch Macau, wo anscheinend irgendetwas Besonderes vor sich ging und wo ich mich schon mit den örtlichen Gegebenheiten vertraut gemacht hatte.
    Kanezaki sagte: »Vielleicht ist er aus den gleichen Gründen in Macau, die ihn auch schon woanders hingeführt haben.«
    »Kann sein. Aber der springende Punkt ist, wenn Macau für ihn nur einer von vielen Vertriebskanälen wäre, dann wäre er jetzt nicht dort. Der Nutzen würde das Risiko nicht rechtfertigen, weil er weiß, dass man ihm dort auf der Spur ist. Warum also dann? Hat er dort noch weitere Treffen?«
    Er schüttelte den Kopf. »Möglicherweise, aber eigentlich glaube ich das nicht. Südostasien ist für ihn wegen solcher Gruppierungen wie die Jemaah Islamiah wichtig geworden. Etwas Vergleichbares gibt es in Macau nicht. Die Akteure und demzufolge auch die Treffen wären anderswo.«
    »Tja, irgendwas geht da jedenfalls vor sich. Falls Sie rausfinden könnten, was das ist, warum er in Wirklichkeit dort ist, was er dort macht, mit wem er sich dort trifft, hätte ich viel bessere Chancen, wieder an ihn ranzukommen.«
    »Ich verstehe.«
    Ich nickte langsam und sah ihn dann an. Oder genauer gesagt, ich sah durch ihn hindurch, als wäre er etwas Unstoffliches, ein Ding, das mich nur wenig interessierte, etwas, das ich so leicht ein- und ausknipsen könnte, wie man einen Lichtschalter betätigt. Ich sagte: »Kanezaki, ich hoffe, dass nichts von dem, was Sie mir erzählt haben, unwahr ist.«
    Er sah mich an und blieb ganz ruhig. »Die Fakten stimmen«, sagte er. »Die Vermutungen sind eben bloß Vermutungen. Behalten Sie diesen Unterschied im Kopf, ehe Sie beschließen, im Hinblick auf mich etwas Voreiliges zu tun, okay?«
    Ich nickte erneut und starrte weiter durch ihn hindurch. »Oh, machen Sie sich darüber keine Sorgen«, sagte ich.
     
    Ich verabschiedete mich von Kanezaki und machte mich auf den Weg zur Trattoria Fiorentina, einem Restaurant im neuen Grand Hyatt Hotel, wo ich mich mit Tatsu verabredet hatte. Ich war vor der vereinbarten Zeit dort, wie immer, und trank einen Eiskaffee aus einem hohen Glas, während ich wartete. Ich stellte fest, dass mir das Restaurant gefiel, wenngleich mit gemischten Gefühlen. Es war elegant, ohne künstlich zu wirken, und das Dekor bestand aus Leder und Holz und anderen natürlichen Materialien; gutes Licht und jede Menge saubere, vertikale Linien. Dennoch fand ich es irgendwie beunruhigend, wie plötzlich es zusammen mit dem Hotel drum herum und dem Einkaufszentrum aus dem Boden geschossen war. Nichts davon hatte es gegeben, als ich noch in Tokio lebte, und doch war hier jetzt praktisch eine Stadt innerhalb der Stadt entstanden, die von ihren Planern »Roppongi Hills« getauft worden war. Ich konnte förmlich sehen, wie die Ti tanengötter der Metropolis ein weißes Laken von ihrem neuesten Werk rissen und mit einem kräftigen Tusch und einer Verbeugung voll falscher Bescheidenheit erklärten, dass »es gut war«.
    Und vielleicht war es ja gut. Auf jeden Fall fühlten sich die Menschen um mich herum offensichtlich wohl. Dennoch, das Ganze hier hatte keine Geschichte, keinen Bezug zu seiner Umgebung. Es war schön gestaltet, ja, aber alles schien nur furchtlos nach vorn zu blicken und der Vergangenheit erstaunlich wenig Beachtung zu schenken. Und daher, so dachte ich, wirkte es seltsam amerikanisch.
    Ich lächelte. Kein Wunder, dass ich gemischte Gefühle

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