Der Verrat
möglicherweise persönlich betreffen könnte.«
»Na gut, dann reden Sie weiter.«
»Mitte des Jahres 2002 – vielleicht erinnern Sie sich – sickerte an die Presse durch, dass das halboffizielle Defense Policy Board, eine Beratergruppe des Pentagons, einen Bericht verfasst hatte, der folgendermaßen endete: ›Die Saudis sind auf jeder Ebene der Terrorkette aktiv, von der Planung bis zur Finanzierung, von der Führungsspitze bis zum Fußsoldaten, vom Ideologen bis zum Agitator.‹ Innerhalb weniger Stunden wurde der Außenminister mobilisiert, um den Bericht zu entschärfen und ihn von der angeblich tatsächlichen Haltung der Bush-Regierung zu distanzieren. Im letzten Sommer dann hat Bush achtundzwanzig Seiten des Kongressberichts zum elften September überarbeiten lassen, vorgeblich zum Schutz der nationalen Sicherheit, in Wahrheit jedoch, weil die überarbeiteten Teile detaillierte Informationen über die Beteiligung der Saudis an der Finanzierung von Terroristengruppen enthielten.«
»Eine Verschwörung?«, fragte ich.
Er zuckte die Achseln. »Eher ein verabredetes Stillschweigen. In Washington weiß jeder, was los ist, aber das Thema anzusprechen ist ungefähr genauso ausgeschlossen wie eine Diskussion über Inzest in einer Familie, die davon betroffen ist. Aber die fehlende Diskussion ändert nichts daran, dass das Problem allgegenwärtig ist.«
Er trank einen Schluck Kaffee. »Ich will Ihnen sagen, was ich weiß. Erstens: Die Nahostabteilung macht sich große Sorgen, dass Belghazi auf der Liste stehen könnte und dass wir jemanden in Macau auf ihn angesetzt haben. Zweitens: Kurz nachdem der Kerl aus der Nahostabteilung bei mir ist, versuchen sechs Saudis in Macau und Hongkong, Sie auszuschalten. Drittens: Die sechs Saudis stehen über Mahfouz mit Belghazi in Verbindung. Viertens: Es gibt Elemente in der US-Regierung, denen es darum geht, die Saudis zu schützen.«
Wir schwiegen einen Moment. »Dann können wir also vermuten«, sagte ich, »dass Crawley – Verzeihung, ich wollte sagen, der Mann aus der Nahostabteilung – von mir erfahren und Belghazi gewarnt hat, der daraufhin Mahfouz um Hilfe bittet, der wiederum das Saudi-Team losschickt?«
»Ja.«
Ich überlegte. Falls die Fakten stimmten, dann war diese Vermutung einigermaßen plausibel. Aber mir war nicht ganz wohl dabei, wie Kanezaki mir das Ganze präsentiert hatte. Er hatte mir ein paar interessante Appetithäppchen geliefert und mir dann Zeit gelassen, eigene Schlüsse zu ziehen. Ich konnte ihn mir nur allzu gut vorstellen, wie er sich beim ›Manipulation von Mitarbeitern‹-Kurs in Langley emsig Notizen machte: Das Gegenüber soll selbst seine Schlüsse ziehen … eigene Schlüsse sind immer überzeugender als die eines anderen …
»Wie ist Belghazi überhaupt auf die Liste gekommen?«, fragte ich. »Wo doch so viele wichtige Persönlichkeiten der CIA ganz und gar nicht begeistert davon sind, dass sein Name da steht?«
Er zuckte die Achseln. »Wie Sie schon sagten, manchmal weiß die rechte Hand nicht, was die linke tut. Und, wie ich schon sagte, es gibt jede Menge Leute, die nicht mehr als unbedingt nötig über die Liste wissen wollen. Zudem kann man nur über das CTC Einsicht nehmen. Das Gute daran ist, dass der eingeschränkte Überblick dafür sorgt, dass die Liste eines der wenigen geheimdienstlichen Mittel ist, das nicht durch Politik und Korruption kontrolliert wird.«
Ich trank nachdenklich einen Schluck Kaffee. »Falls Crawley herausgefunden hat, dass Belghazi auf der Liste steht und sich darüber aufgeregt hat, warum hat er ihn dann nicht einfach streichen lassen?«
Diesmal reagierte er nicht mal auf den Namen. »Ich weiß es nicht genau, aber wahrscheinlich, weil er nicht möchte, dass man auf ihn oder auf seine Motive aufmerksam wird – welche auch immer das sein mögen. Belghazi ist sozusagen das Paradebeispiel für die terroristische Infrastruktur. Mit einem Augenzwinkern, einem vielsagenden Nicken und irgendwelchen flotten Sprüchen über ›Beziehungen zur Gegenseite‹ und die ›nationale Sicherheit‹ kann man leicht durchblicken lassen, dass ein bestimmter Name nicht auf die Liste gesetzt werden sollte, dass das unerwünschte Folgen haben könnte. Aber es ist sehr viel schwerer zu vermitteln, warum man einen bestimmten Namen unbedingt wieder gestrichen haben möchte. Das müsste man schon genauer erklären. Und daran würden sich hinterher auch einige Leute erinnern.«
»Sie meinen also, das Hongkong-Team kam
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