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Der Verrat

Der Verrat

Titel: Der Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Eisler
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hatte. Das Ganze war ein Transplantat, genau wie ich.
    Eine Stunde später sah ich Tatsu hereinkommen, stehen bleiben und den Raum absuchen. Eine Kellnerin trat zu ihm und sagte etwas – wahrscheinlich fragte sie, ob er einen Tisch suche –, und er reagierte, indem er den Kopf in ihre Richtung wandte, ohne jedoch den Raum aus den Augen zu lassen. Dann sah er mich. Er nickte zum Zeichen des Erkennens, murmelte der Kellnerin irgendetwas zu und kam herangeschlurft.
    Ich lächelte, als er an den Tisch kam, und stand auf. Sein typisch schlurfender Gang hatte etwas ungemein Liebenswertes an sich, genauso wie die zerknitterten dunklen Anzüge, die er immerzu trug. Ich merkte, wie froh ich war, dass Tatsu und ich einen Weg gefunden hatten, einen Waffenstillstand zu schließen. Zum Teil natürlich, weil er so ein ernst zu nehmender Gegner sein konnte, aber noch viel mehr, weil er sich als echter Freund erwiesen hatte, wenn auch keiner, der sich scheute, nötigenfalls um einen »Gefallen« zu bitten.
    Wir verneigten uns und reichten uns die Hand, dann musterten wir einander gründlich. »Du siehst gut aus«, sagte ich auf Japanisch zu ihm. Und es stimmte. Er hatte ein wenig abgenommen und wirkte nun jünger.
    Er brummte kurz, eine angemessen bescheidene Form des Dankes, und sagte dann: »Meine Frau hat sich mit meinem Arzt gegen mich verschworen. Sie kocht jetzt anders. Kein Ol, nichts Gebratenes. Ich muss mich in solche Restaurants wie das hier schleichen, um meinen Appetit zu stillen.«
    Ich lächelte. »Sie meint es gut.«
    Er stieß wieder ein Brummen aus und betrachtete mich von oben bis unten. »Du hältst dich fit, wie ich sehe.«
    Ich zuckte die Achseln. »Ich tu, was ich kann. Es wird jedenfalls nicht leichter.«
    Wir setzten uns. Ich sagte: »Weißt du was, Tatsu, das war der längste Small Talk, den ich je von dir gehört habe.«
    Er nickte. »Erzähl das bloß nicht meinen Kollegen. Mein Ruf wäre ruiniert.«  i
    Ich lächelte. »Wie geht’s deiner Familie?«
    Er strahlte. »Alles in Ordnung. Nächsten Monat werde ich Großvater. Ein Junge, sagen die Ärzte.«
    Mein Lächeln wurde noch breiter. »Schön für dich, mein Freund. Herzlichen Glückwunsch.«
    Er bedankte sich mit einem Nicken und sah mich an. »Und du?«
    »Ich …«
    »Deine Familie.«
    Ich sah ihn an. »Du weißt, dass ich keine Familie habe, Tatsu.«
    Er zuckte die Achseln. »Menschen bekommen eine Familie, indem sie eine Familie gründen.«
    Als ich nach meinem Vietnameinsatz nach Japan zurückkehrte, hatte Tatsu ein paar Mal versucht, mich mit Frauen zu verkuppeln. Aber es hatte nie so richtig geklappt.
    »Ich glaube, ich hänge zu sehr an meinem aufregenden Junggesellenleben«, erwiderte ich. »Du weißt schon, viele Menschen kennen lernen. Die Welt bereisen.«
    Es kam nicht so locker heraus, wie ich wollte, und vielleicht sogar mit einem leicht verbitterten Unterton.
    »Es wird nicht einfacher«, sagte er. »Wie du schon festgestellt hast.«
    Ich seufzte. »Versuchst du immer noch, mir einzureden, was für mich gut ist?«
    »Du brauchst es«, sagte er mit ernster Miene.
    Himmel, genau das, was ich schon immer haben wollte – ein mütterlicher Tatsu. »Ich brauche Informationen, mehr nicht«, sagte ich.
    Er nickte. »Heißt das, unser Small Talk ist schon vorbei?« Ich lachte verblüfft. »Ich will dich nicht überstrapazieren. Ich weiß ja, dass du so was nicht gewohnt bist.«
    »Ich war gerade dabei, Spaß daran zu finden.« Ich lachte erneut und dachte: Warum eigentlich nicht? Und so kam es, dass wir über alles Mögliche sprachen: seine Freude über die Schwangerschaft seiner Tochter und seine Angst, dass er und seine Frau das Kind vielleicht als Ersatz für den kleinen Sohn betrachten könnten, den sie verloren hatten; seine Frustration über die träge Bürokratie, über seine Unfähigkeit, mehr gegen die Korruption unternehmen zu können, die Japan seiner Ansicht nach vergiftete; die Veränderungen, die sich in Tokio und im ganzen Land vor seinen Augen vollzogen. Und auch ich erzählte ihm einiges: wie die Agency mich aufgespürt hatte; dass ich irgendwann wieder verschwinden und mich mühsam neu würde erfinden müssen; dass ich versuchte, nicht zu verzweifeln, wenn ich daran dachte, dass auch das sich letztlich als sinnlos erweisen würde – zum einen, weil immer irgendjemand nach mir suchen würde, zum anderen, weil irgendetwas Ruheloses in meinem Innern mich stets zwang, doch wieder weiterzuziehen. Wir erinnerten uns an einige

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