Der Verrat
würde er lieber sterben, als Ihren Namen zu nennen?«, fragte ich. »Genau die Entscheidung treffen Sie nämlich gerade.«
»Ich weiß nicht, was er tun würde. Ich kann nicht … ich kann Ihnen einfach nicht den Namen eines anderen Officers nennen. Es tut mir Leid, aber ich kann nicht.«
»Zweierlei«, sagte ich. »Erstens, ich bin mir zu achtzig Prozent sicher, dass ich weiß, wer es ist. Ich will das nur bestätigt haben.« Das war natürlich gelogen, aber ich wollte Crawley eine mögliche Entschuldigung liefern, falls er eine brauchte. »Zweitens, ich interessiere mich nur für ihn, weil ich durch ihn an Belghazi rankommen kann. Wenn Sie mir also nicht seinen Namen sagen, dann entscheiden Sie sich dafür zu sterben, um Belghazi zu schützen und nicht etwa Mitarbeiter der CIA.«
Er schloss die Augen, Tränen quollen hervor. »Es tut mir Leid«, sagte er kopfschüttelnd. »Es tut mir Leid.«
Verdammt, seine Hoffnung, ob nun berechtigt oder unberechtigt, wurde schwächer. Und mit ihr auch meine Aussichten auf Erfolg.
»Der freie Mitarbeiter, an den Sie sich gewandt haben«, sagte ich auf gut Glück, »um mich aus dem Weg schaffen zu lassen. Der Mann heißt Dox. Ist das der NOC?«
Er antwortete nicht. Er schüttelte nur weiter den Kopf und weinte lautlos. Seine Reaktion verriet mir nicht das Geringste.
»Zum letzten Mal«, sagte ich. »Der Name des NOC. Leben oder Tod, die Entscheidung liegt bei Ihnen.«
Er antwortete nicht, und ich merkte, dass er mich schon beinahe nicht mehr hörte. Er hatte seinen Entschluss gefasst und sich schon mit den Konsequenzen abgefunden. Ich hätte es noch mit irgendwelchen brutalen Foltermethoden versuchen können, aber das wollte ich nicht. Die Informationen, die sich durch Folter erzwingen lassen, sind normalerweise unerheblich, während der Schaden für die Psyche meist erheblich ist.
Dennoch, was nun kam, würde nicht angenehm werden. Ich hatte mit ihm geredet, mit ihm interagiert, seine Tränen und seine Angst und seine törichte Loyalität erlebt. All das war bestens geeignet, durch Jahrzehnte altes und plötzlich weich gewordenes emotionales Narbengewebe zu schneiden und mich daran zu erinnern, dass ich gleich das Leben eines anderen Menschen beenden würde.
Aber mir blieb kaum eine andere Wahl. Wenn ich ihn jetzt am Leben ließe, würde er Belghazi und den NOC in Hongkong warnen. Außerdem hatte ich Delilah erwähnt. Wenn er Belghazi von ihr erzählte, wäre sie noch am selben Abend tot.
Ich überlegte kurz, ob ich ihm ihren Namen genannt hatte, um meine eigene Hand zu zwingen ihn zu töten. Um mir klarzumachen, dass ich ihr Leben beenden würde, falls ich seins verschonte.
Ich sagte mir, dass er mich hatte umbringen lassen wollen. Dass er es, sollte er die Gelegenheit bekommen, ganz sicher wieder versuchen würde.
Denk nicht lange nach. Tu ’s einfach.
Ich nahm die Betäubungspistole und setzte ihn erneut außer Gefecht. Der Schock ließ seinen Körper heftig zucken, aber das Kissen verhinderte, dass er sich den Kopf aufschlug. Nach ungefähr zehn Sekunden nahm ich den Finger vom Auslöser und legte das Gerät beiseite.
Ich zog seinen Oberkörper hoch und setzte mich hinter ihn. Ich hakte die Beine von oben unter seine, schlang die Arme in einem Hadaka-jime- Würgegriff um seinen Hals und ließ mich nach hinten auf den mit Plastikfolie bedeckten Boden fallen, so dass mein Körper unter seinem war. Ich setzte den Griff behutsam an, mit gerade genug Kraft, um die Schlagader abzudrücken, aber nicht so viel, dass die Luftröhre beschädigt wurde oder Quetschungen zurückblieben. Er gab keinen Laut von sich und war binnen Sekunden bewusstlos. Ich hielt ihn einige Minuten so, bis die Bewusstlosigkeit in den Tod übergegangen war.
Ich stand auf und schleifte ihn in die Abstellkammer neben dem Wohnzimmer. Die Plastikfolie bot praktisch keinen Reibungswiderstand und erleichterte mir die Arbeit.
Ich legte ihn unter der Kleiderstange ab und ging zurück ins Wohnzimmer. Ich räume gerne auf, während ich mich durch den Raum bewege – ein Schritt, ein ordnender Handgriff. Noch ein Schritt, noch ein Griff. So übersieht man weniger. Ich hob das Isolierband auf und dann fiel mir etwas ins Auge: ein Streifen im Teppich, wo sämtliche Fasern durch die plastikunterstützte Schleifbewegung in eine Richtung gezogen worden waren. Ich ging auf dem Streifen hin und her, bis er nicht mehr zu sehen war.
Zurück in der Kammer, ließ ich das Isolierband fallen und schnitt das
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