Der Verrat
Verführung zu tun als mit Folter.
»Und was glauben Sie, wer Nuchi geschickt hat?«, fragte ich.
Er schüttelte den Kopf. »Das weiß keiner. Nuchi arbeitet für verschiedene arabische Regierungen und Terrorgruppen, und wahrscheinlich kam der Auftrag von einem seiner üblichen Kunden. Vielleicht von jemandem, den Belghazi übers Ohr gehauen hat, vielleicht von jemandem, der sich Zugang zu Belghazis Quellen oder in seine Netzwerke verschaffen will. Eigentlich ist es ganz gut, dass der Kerl tot ist. Falls Sie es waren, sollten Sie einen Orden dafür kriegen.«
»Aber anstatt mir einen Orden zu geben, haben Sie Belghazi gewarnt, dass ich hinter ihm her bin.«
Es entstand eine Pause, während er stumm die Erkenntnis verarbeitete, dass ich auch das wusste. Wenn möglich, sollte man dem Betreffenden den Eindruck vermitteln, dass man bereits alles weiß, was er erzählen könnte. Dann traut er sich nicht mehr, irgendwas zu verschweigen, und es fällt ihm leichter, den Verrat vor sich selbst zu rechtfertigen: Schließlich plaudert er ja nichts aus, was der andere nicht schon längst wüsste.
»Ja«, sagte er nach einem Moment. »Wir haben ihn gewarnt.«
Wir, dachte ich. Dazu später mehr.
»Ich würde gern den Grund dafür erfahren«, sagte ich.
Er schloss die Augen und sah wieder so aus, als müsste er gleich brechen. »Es gibt da … eine Verbindung«, sagte er nach einer Weile.
Schon wieder so eine vage Anspielung, dachte ich. Aber ich wartete ab, ob er einen Weg finden würde, die psychische Blockade zu lösen, die durch den Wunsch verursacht wurde, einerseits nicht all sein Wissen preiszugeben und andererseits noch am Leben zu sein, wenn ich seine Wohnung verließ.
»Er liefert uns Informationen«, sagte er schließlich. »Und im Gegenzug … schützen wir ihn.«
»Dann ist Belghazi also ein CIA-Informant«, sagte ich. Mein Tonfall signalisierte, dass mir das nicht neu war, aber in Wahrheit war ich überrascht.
Er wurde blass, als ich es laut aussprach. »In gewisser Weise. Er wird nicht offiziell als Informant geführt, er wurde auch nicht entsprechend durchleuchtet. Als Spitzel ist er zu exponiert, und wir können auch nicht riskieren, dass die Verbindung außerhalb der Abteilung bekannt wird. Aber er liefert uns Informationen, das ja.«
»Nahostabteilung?«, fragte ich, um erneut durchblicken zu lassen, dass ich eine Menge wusste.
»Ja«, sagte er. »Ja. Nahost.«
»Und die Informationen, die er liefert, betreffen …?«
Er seufzte. Vielleicht beruhigte er jetzt schon irgendwie sein Gewissen: Na ja, jetzt bin ich schon so weit gegangen, dann macht das auch nichts mehr, und außerdem weiß er es wahrscheinlich ja sowieso längst …
»Sie betreffen die Waffenlieferungen – hauptsächlich bestimmte Vorläufer von Massenvernichtungswaffen – an Gruppen, die vorhaben könnten, sie gegen die Vereinigten Staaten einzusetzen.«
»Vorläufer?«
»Ja, Vorläufer von Massenvernichtungswaffen. Angereichertes Uran. Baupläne für Atomzentrifugen. Milzbrandkulturen. EMPTA, eine chemische Substanz, die bei der Produktion von Nervengas verwendet wird. Und dergleichen mehr.«
»Ich bin verwundert«, sagte ich. »Ich dachte, Belghazi steckt bei all dem mit drin.«
Er schüttelte den Kopf. »Belghazi handelt mit dem altmodischen Zeug. Waffen und C-4-Sprengstoff und Panzerabwehraketen. An so was sind wir gewöhnt, damit können wir leben.«
»Mir war gar nicht klar, dass die CIA so entgegenkommend ist.«
»Was glauben Sie denn, wo wir die Informationen über die Massenvernichtungswaffen her haben? Von Chorknaben? Friedensnobelpreisträgern? Klar, Belghazi ist übel, aber im Vergleich zu den Typen, denen wir jetzt das Handwerk legen wollen, ist er der reinste Engel.«
»Also liefert er euch Informationen über einige von den wirklich bösen Buben da draußen …«
»Und als Gegenleistung schützen wir ihn, lassen ihn seine Geschäfte weiter betreiben.« Er hielt inne und sah mich an. »Sehen Sie, ich kooperiere. Können Sie mich losbinden? Ich glaube, mein Blut zirkuliert nicht mehr richtig.«
Von wegen, dachte ich. Ich hatte ihn so eingewickelt, dass der Druck der Fesseln weitflächig verteilt war und keine Spuren zurückbleiben würden. Sein Blut zirkulierte daher wunderbar.
»Sie halten sich gut«, sagte ich. »Wenn Sie so weitermachen, binde ich Sie so weit los, dass Sie sich allein von dem Rest befreien können, und verschwinde.«
»Also gut«, sagte er, zweifellos beruhigt von unserer vernünftigen
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