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Der Verrat

Der Verrat

Titel: Der Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Eisler
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zeigten wir unsere Pässe und schoben uns dann in die Haupthalle vor die Ankunftgates.
    Ich entdeckte den Dritten sofort. Wieder ein Araber, langes Haar, Schnurrbart, blauer Anzug, weißes Hemd mit offenem Kragen, schicke Sonnenbrille. Anders als die Mehrheit der Menschen, die hier darauf warteten, Passagiere aus Macau zu begrüßen, und sich unmittelbar vor den Ausgängen drängten, lehnte er lässig an einem Geländer im hinteren Teil des nach oben hin offenen Zentrums der Halle. Anscheinend hatte mein neuer Freund Angst, uns zu nahe zu kommen, Angst, entdeckt zu werden. Doch mit seinem Versuch, eine möglichst unauffällige Position einzunehmen, hatte er genau das Gegenteil erreicht.
    Wie gingen zu der Rolltreppe vorn in der Halle. Ein Stockwerk tiefer mussten wir in die entgegengesetzte Richtung und dann eine Hundertachtziggradwendung machen, um die nächste Rolltreppe abwärts zu nehmen. Als wir uns umdrehten, sah ich unseren Verfolger, den ich von nun an Sonnenbrille nannte, die Rolltreppe herunterkommen, die wir gerade benutzt hatten.
    Ich blieb stehen und schaute in das Schaufenster eines Zigarrenladens, ehe wir zur zweiten Rolltreppe kamen. Ich stellte mich so, dass Keiko mir gegenüberstand, mit dem Rücken zur Scheibe.
    »Keiko«, sagte ich auf Japanisch, »tu mir einen Gefallen. Sieh mal hinter uns. Einfach nur unauffällig umsehen, ja? Bleib nicht an einer bestimmten Person länger hängen. Und sag mir, was du siehst.«
    Sie schaute an mir vorbei und zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht, viele Leute. Worauf soll ich denn achten?«
    »Siehst du einen Ausländer? Der aussieht wie ein Araber? Starr nicht hin, sieh dich nur rasch um und dann lässt du den Blick einfach weiter wandern, siehst dir andere Menschen und die Geschäfte an. Dir ist langweilig, weil ich hier solange das Schaufenster studiere, und du schaust dich einfach mal um, okay?«
    »Was ist denn los?«, fragte sie, mit leicht beunruhigtem Unterton.
    Ich schüttelte den Kopf und lächelte. »Nichts Schlimmes.« Ich stellte mich vor sie, damit sie aufhörte, die Halle abzusuchen, legte ihr eine Hand ins Kreuz und schob sie sachte weiter. »Okay, dreh dich nicht um. Sag mir nur, was du gesehen hast.«
    »Da war ein Araber. Er trug einen Anzug.«
    »Was hat er gemacht?«
    »In sein Handy gesprochen. Ich glaube, er hat uns beobachtet, aber als er gemerkt hat, dass ich in seine Richtung kucke, hat er weggesehen. Kennst du den?«
    »Flüchtig. Ist nicht so leicht zu erklären.«
    Was hat Ian Fleming noch mal gesagt? Einmal ist Zufall, zweimal ist Koinzidenz, dreimal ist eine feindliche Aktion. Und ich halte nichts davon, so lange zu warten. Es war allerhöchste Zeit zu handeln.
    Unten angekommen, nahmen wir ein Taxi. Ich hielt für Keiko die Tür auf. Am Rande meines Gesichtsfeldes sah ich unseren Freund wenige Meter vom Taxistand entfernt vor einem Kiosk stehen. Ich wusste, dass auch er sofort ein Taxi nehmen würde, sobald ich eingestiegen wäre.
    Als wir abfuhren, setzte ich meinen Dentalspiegel ein und sah, dass ich Recht gehabt hatte. Keiko beobachtete mich, sagte aber nichts. Ich fragte mich, was ihr wohl durch den Kopf ging. Der Fahrer schien nichts zu merken. Er lauschte aufmerksam seinem Radio, wo eine Unterhaltungssendung mit einem Sprecher lief, dessen Stimme vor künstlicher Belustigung förmlich überschnappte.
    Ich sagte dem Fahrer, er solle uns vor der Citibank im Central District gleich neben der U-Bahnstation absetzen. Eines meiner Alter Egos hat ein Sparkonto bei der Citibank. Und ich habe die Kontokarte immer dabei.
    Wir gingen in die Bank, und Keiko wartete, während ich fünfzigtausend Hongkong-Dollar abhob – ungefähr siebentausend US-Dollar. Der Betrag überstieg die zulässige Höchstauszahlung bei Geldautomaten, und ich musste zur Kasse gehen. Der Bankangestellte steckte das Geld in einen Umschlag. Ich dankte ihm und ging zu Keiko hinüber.
    »Wie wär’s mit einem Einkaufsbummel?«, schlug ich vor und zeigte ihr den dicken Umschlag. Um uns herum lagen Läden von Hermès, Prada, Tiffany, Vuitton und anderen Designern, auf die sie, wie ich inzwischen wusste, ganz verrückt war. »Ich würde dir gerne was Schönes kaufen, wenn du möchtest.«
    Sie lächelte, und ihre Augen strahlten. »Hontou?« ,sagte sie. Ehrlich? Wahrscheinlich war sie froh, dass die merkwürdige Episode mit dem Araber offenbar vorbei war.
    Ich ging mit ihr die Straße entlang bis zu Marks & Spencer. Das Kaufhaus interessierte mich weniger wegen seines

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