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Der Verrat

Der Verrat

Titel: Der Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Dolly Kaffee für die freiwilligen Helfer. Die Obdachlosen legten sich schlafen.
    Mordecai und ich setzten uns in der dunklen Küche auf die Kante eines Tisches, tranken Kaffee und betrachteten durch das große Fenster der Essensausgabe die in Decken gehüllten Menschen. »Wann fahren Sie nach Hause?« fragte ich.
    Er zuckte die Schultern. »Kommt darauf an. Wenn ein paar hundert Leute in einem Raum zusammen sind, passiert meistens was. Der Pfarrer möchte, dass ich noch bleibe.«
    »Die ganze Nacht?«
    »Das hab ich schon oft gemacht.«
    Ich hatte nicht vor, hier, unter all diesen Menschen, zu schlafen. Und ebenso wenig hatte ich vor, ohne Mordecais Schutz das Gebäude zu verlassen.
    »Sie können gehen, wann immer Sie wollen«, sagte er. Ich hatte nicht viele Optionen, aber das war die schlechteste. Es war Freitag, Mitternacht. Ich war ein Weißer mit einem teuren Wagen, unterwegs in Washington-Northwest. Schnee hin oder her - es war mir zu gefährlich.
    »Sind Sie verheiratet?« fragte ich Mordecai.
    »Ja. Meine Frau ist Sekretärin im Arbeitsministerium. Drei Söhne. Einer ist auf dem College, einer in der Armee.« Er ließ den Satz in der Luft hängen, ohne etwas über den dritten Sohn zu sagen. Ich fragte ihn nicht danach.
    »Und einen haben wir vor zehn Jahren auf den Straßen von Washington verloren.
    Streetgangs.«
    »Das tut mir leid.«
    »Und was ist mit Ihnen?«
    »Verheiratet, keine Kinder.«
    Zum erstenmal seit mehreren Stunden dachte ich an Claire. Wie hätte sie reagiert, wenn sie gewusst hätte, wo ich war? Keiner von uns hatte Zeit für etwas, das auch nur entfernt mit Wohltätigkeit zu tun hatte.
    Sie würde murmeln: »Jetzt ist es wirklich soweit«, oder etwas ähnliches.
    Es war mir gleichgültig.
    »Was macht Ihre Frau?« fragte er im Plauderton.

    »Sie ist Assistenzärztin auf der chirurgischen Station im Georgetown Hospital.«
    »Dann gehen Sie ja herrlichen Zeiten entgegen. Ihre Frau wird Chirurgin, und Sie werden Teilhaber in einer großen Kanzlei. Und wieder ist ein amerikanischer Traum Wirklichkeit geworden.«
    »Kann sein.«
    Mit einemmal stand der Pfarrer neben uns und zog Mordecai zum Ende der Küche, um in gedämpftem Ton mit ihm zu sprechen. Ich nahm vier Kekse aus der Schüssel und ging zu der Ecke, in der die junge Mutter saß und schlief. Sie hatte sich ein Kissen unter den Kopf geschoben und hielt das Baby im Arm. Die beiden kleineren Kinder lagen reglos unter ihren Decken, doch das älteste, ein Junge, war wach.
    Ich hockte mich neben ihm hin und bot ihm einen Keks an. Seine Augen leuchteten, und er griff danach und aß ihn bis auf den letzten Krümel auf. Dann wollte er noch einen.
    Der Kopf der Mutter sackte nach vorn, und sie fuhr hoch, sah mich mit müden, traurigen Augen an und merkte, dass ich den guten Onkel spielte. Sie lächelte schwach und rückte ihr Kissen zurecht.
    »Wie heißt du?« flüsterte ich dem kleinen Jungen zu. Nach zwei Keksen war er mein Freund fürs Leben.
    »Ontario«, sagte er langsam und deutlich.
    »Wie alt bist du?«
    Er hielt vier Finger hoch, bog einen und streckte ihn dann wieder.
    »Vier?« fragte ich.
    Er nickte und streckte die Hand nach einem weiteren Keks aus, den ich ihm gern gab. Ich hätte ihm alles gegeben.
    »Wo schlaft ihr sonst?« flüsterte ich.
    »In einem Wagen«, flüsterte er zurück.
    Es dauerte einen Augenblick, bis ich begriffen hatte, was er da sagte. Ich wusste nicht, was ich als nächstes fragen sollte, und er war zu sehr mit dem Keks beschäftigt, um sich um die Fortsetzung dieser Unterhaltung zu kümmern. Ich hatte drei Fragen gestellt und drei ehrliche Antworten bekommen. Sie lebten in einem Wagen.
    Am liebsten wäre ich zu Mordecai gerannt und hätte ihn gefragt, was man tun musste, wenn man Menschen fand, die in einem Wagen lebten, doch ich blieb und lächelte Ontario zu. Er lächelte zurück. Schließlich sagte er: »Kann ich noch mehr Apfelsaft?«
    »Klar«, sagte ich, ging in die Küche und füllte zwei Becher.
    Den ersten trank er in einem Zug aus. Ich reichte ihm den zweiten.
    »Wie heißt das Zauberwort?« sagte ich.
    »Danke«, sagte er und streckte die Hand nach einem Keks aus. Ich trieb einen Klappstuhl auf und setzte mich neben Ontario an die Wand. Zeitweise war es ruhig im Keller, wenn auch nicht still. Wer kein Bett hat, schläft nicht friedlich.
    Hin und wieder stieg Mordecai über Schlafende hinweg, um einen Streit zu schlichten. Er war so groß und einschüchternd, dass niemand es wagte, seine

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