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Der Verrat

Der Verrat

Titel: Der Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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ausladenden Geste auf einen kleinen Raum neben dem seinen.
    »Wie war’s damit?« fragte er. »Das ist Suite E.«
    »Ausgezeichnet«, sagte ich und betrat mein neues Reich. Das Zimmer war etwa halb so groß wie das bei Drake & Sweeney. Mein Schreibtisch hätte nicht hineingepaßt.
    An einer Wand standen vier Aktenschränke, jeder in einer anderen Farbe. Das Licht kam von einer nackten Glühbirne an der Decke. Ich sah kein Telefon.
    »Gefällt mir«, sagte ich, und das war nicht gelogen.
    »Morgen besorgen wir Ihnen ein Telefon«, sagte Mordecai und zog das Rollo über die in das Fenster eingebaute Klimaanlage. »Der letzte, der dieses Zimmer benutzt hat, war ein Anwalt namens Banebridge.«
    »Wieso hat er aufgehört?«
    »Er kam mit dem vielen Geld nicht zurecht.«

    Es wurde langsam dunkel, und Sofia wollte anscheinend gern gehen. Abraham zog sich in sein Büro zurück. Mordecai und ich aßen an seinem Schreibtisch zu Abend: die mitgebrachten Sandwiches und seinen schlechten Kaffee.
    Das Kopiergerät war ein Klotz aus den achtziger Jahren, ohne Knöpfe für Codeeingaben und den Schickschnack, der in meiner ehemaligen Kanzlei so geschätzt wurde. Ich saß in einer Ecke des großen Zimmers neben einem der vier unter alten Akten begrabenen Schreibtische.
    »Wann gehen Sie heute nach Hause?« fragte ich Mordecai.
    »Ich weiß nicht. Vielleicht in einer Stunde. Warum?«
    »Ich bin bloß neugierig. Ich fahre noch für ein paar Stunden zu Drake & Sweeney
    - wichtige Dinge, die ich noch abschließen soll. Danach würde ich gern mein Bürozeug herbringen. Geht das?«
    Kauend zog er eine Schublade auf, holte einen Ring mit drei Schlüsseln hervor und warf ihn mir zu. »Sie können kommen und gehen, wie Sie wollen.«
    »Ist die Gegend sicher?«
    »Nein. Seien Sie also vorsichtig. Parken Sie so nah an der Tür wie möglich.
    Gehen Sie schnell. Und schließen Sie die Tür hinter sich ab.«
    Er musste die Furcht in meinen Augen gesehen haben, denn er sagte: »Seien Sie vernünftig. Gewöhnen Sie sich daran.«
    Um halb sieben ging ich mit schnellen Schritten zu meinem Wagen. Der Bürgersteig war verlassen - keine Straßengangster, keine Schüsse, kein Kratzer an meinem Lexus. Als ich aufschloss und davonfuhr, war ich stolz. Vielleicht würde ich es ja doch schaffen, auf der Straße zu überleben.
    Für die Fahrt zu Drake & Sweeney brauchte ich elf Minuten. Wenn das Kopieren dreißig Minuten dauerte, würde die Akte insgesamt eine Stunde nicht in Chances Büro sein. Vorausgesetzt, alles ging glatt. Er würde es gar nicht merken. Ich wartete bis acht und schlenderte dann hinunter in die Immobilienabteilung, wieder mit aufgekrempelten Ärmeln, als wäre ich sehr beschäftigt.
    Auf den Gängen war niemand. Ich klopfte an Chances Tür. Keine Antwort. Sie war verschlossen. Dann versuchte ich es an den anderen Türen: Ich klopfte erst leise, dann lauter und drehte schließlich den Griff. Etwa die Hälfte war verschlossen. An jeder Ecke sah ich mich nach Überwachungskameras um.
    Ich öffnete die Türen zu Konferenzzimmern und Sekretärinnenpools. Keine Menschenseele.
    Der Schlüssel zu Chances Tür sah genauso aus wie meiner, er hatte dieselbe Größe und Farbe. Er passte perfekt, und plötzlich stand ich in einem dunklen Büro und war mit der Frage konfrontiert, ob ich das Licht anschalten sollte oder nicht. Jemand, der vorbeifuhr, konnte nicht wissen, welches Büro plötzlich erleuchtet war, und ich bezweifelte, dass man auf dem Gang einen Lichtschein unter der Tür sehen konnte. Außerdem war es sehr dunkel, und ich hatte keine Taschenlampe mitgebracht. Ich verriegelte die Tür, schaltete das Licht an, ging zu dem Aktenschrank unter dem Fenster und öffnete ihn mit dem zweiten Schlüssel.
    Ich kniete nieder und zog leise die Schublade heraus.
    Es waren Dutzende von Akten darin, die allesamt etwas mit RiverOaks zu tun hatten und nach irgendeinem System geordnet waren. Chance und seine Sekretärin waren gut organisiert, und das schätzte man in dieser Kanzlei. Ein dicker Ordner trug die Aufschrift »RiverOaks/TAG, Inc.« Ich zog ihn heraus und blätterte darin, denn ich wollte mich zunächst davon überzeugen, dass ich die richtige Akte hatte.
    Auf dem Gang rief eine männliche Stimme: »He!« Mir blieb fast das Herz stehen.
    Von etwas weiter entfernt antwortete ein anderer Mann. Die beiden blieben nicht weit von Chances Tür stehen und unterhielten sich. Es ging um Basketball, um die Washington Bullets und die New York Knicks.

    Mit

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