Der Verrat
eine Bahre. Hinter mir war Lärm, aber ich konnte mich nicht umdrehen. Sie schnallten mich auf die Bahre, und als ich in den Krankenwagen gehoben wurde, sah ich den Jaguar. Er lag auf dem Dach und war umringt von Polizisten und Sanitätern.
Während sie meinen Blutdruck maßen, sagte ich immer wieder: »Alles in Ordnung, alles in Ordnung.« Wir fuhren mit ausgeschalteter Sirene los.
Sie brachten mich zur Notaufnahme des George Washington University Medical Center. Die Röntgenbilder zeigten keine Brüche. Ich hatte lediglich sehr schmerzhafte Prellungen davongetragen. Man gab mir Schmerztabletten und legte mich in ein Einzelzimmer.
Irgendwann in der Nacht erwachte ich. Claire saß schlafend auf einem Stuhl neben meinem Bett.
FÜNFZEHN
Sie ging, bevor es hell wurde. In einem liebevollen Brief auf dem Nachttisch erklärte sie mir, sie müsse ihre Visite machen und werde später am Morgen wieder kommen. Sie habe mit den behandelnden Ärzten gesprochen. Es deute alles darauf hin, dass ich es überstehen würde.
Man hätte meinen können, wir wären ein ganz normales, glückliches Paar und einander liebevoll zugetan. Während ich wieder einschlief, fragte ich mich, warum wir uns eigentlich scheiden lassen wollten.
Eine Schwester weckte mich um sieben und gab mir den Brief. Ich las ihn noch einmal durch, während sie über das Wetter sprach - Schnee und Schneeregen - und meinen Blutdruck maß. Ich bat sie um eine Zeitung. Sie brachte sie eine halbe Stunde später, zusammen mit dem Frühstück. Die Story war auf der ersten Seite des Lokalteils. Der V-Mann hatte mehrere Kugeln abbekommen; sein Zustand war kritisch. Einen der Dealer hatte er erschossen. Der zweite Dealer war der Fahrer des Jaguars. Er war am Unfallort gestorben, unter Umständen, die noch ermittelt wurden. Ich wurde nicht erwähnt, was mir sehr recht war.
Wäre ich nicht beteiligt gewesen, dann wäre die Geschichte für mich nichts weiter ein Scharmützel zwischen Polizisten und Dealern gewesen - ich hätte den Artikel wahrscheinlich nicht einmal gelesen. Willkommen auf der Straße. Ich versuchte mir einzureden, dass so etwas jedem Anwalt in Washington hätte passieren können, doch das war schwer zu glauben. Wenn man nach Einbruch der Dunkelheit in diesem Teil der Stadt unterwegs war, musste man mit Ärger rechnen.
Mein linker Oberarm war geschwollen und lief bereits blau an. Die linke Schulter und das Schlüsselbein waren steif und druckempfindlich. Meine Rippen schmerzten so sehr, dass ich mich so wenig wie möglich bewegte. Am schlimmsten war es, wenn ich atmete. Ich schaffte es bis ins Badezimmer, wo ich auf die Toilette ging und mein Gesicht im Spiegel betrachtete. Ein Airbag ist eine kleine Bombe. Wenn er sich aufbläst, trifft er mit voller Wucht auf Gesicht und Brust. Dennoch war der Schaden minimal: Nase und Augenpartie waren leicht geschwollen, die Oberlippe hatte eine neue Form. Nichts, was nicht über das Wochenende verschwinden würde.
Die Schwester kam und brachte noch mehr Tabletten. Ich ließ mir zu jeder einzelnen detailliert Auskunft geben und lehnte dann alle ab. Es waren schmerzlindernde und krampflösende Mittel, doch ich brauchte einen klaren Kopf.
Der Arzt sah um halb acht vorbei und untersuchte mich kurz. Da ich keine Brüche oder schweren Verletzungen davongetragen hatte, würde ich bald entlassen werden. Er schlug eine zweite Serie von Röntgenaufnahmen vor, nur zur Sicherheit. Ich wollte Einwände machen, aber er hatte die Sache bereits mit meiner Frau besprochen.
Und so humpelte ich eine halbe Ewigkeit in meinem Zimmer herum, betastete vorsichtig die verletzten Körperpartien, schaute mir das Frühstücksfernsehen an und hoffte, dass nicht plötzlich jemand hereinkam und mich in meinem gelben Krankenhausnachthemd sah.
Es war erstaunlich zeitraubend, in Washington einen abgeschleppten Wagen zu finden, besonders so kurz nach dem Unfall. Ich begann mit dem Telefonbuch, dem einzigen Verzeichnis, das mir zur Verfügung stand. Die Hälfte der Anschlüsse im Straßenverkehrsamt war unbesetzt. Bei der anderen Hälfte begegnete man meiner Anfrage mit großer Gleichgültigkeit. Es war noch früh, das Wetter war schlecht, und außerdem war Freitag - warum sich also mit Arbeit belasten?
Die meisten Unfallwagen wurden zu einer städtischen Verwahrstelle an der Rasco Road in Northeast gebracht. Das erfuhr ich von einer Sekretärin im Polizeipräsidium, die - ich probierte inzwischen aufs Geratewohl alle möglichen Durchwahlen -
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