Der Verrat
der Stadt. Die übleren Stadtteile lagen gleich um die Ecke, und natürlich musste man äußerst vorsichtig sein. Wenn so bedeutende Leute wie Senatoren auf dem Capitol Hill ausgeraubt wurden, war wirklich niemand mehr sicher.
Auf dem Weg nach Adams-Morgan tauchte vor uns plötzlich ein Schlagloch auf, das größer war als unser Wagen. Wir rumpelten hindurch, hoben für zehn Sekunden - so lang kam es mir jedenfalls vor - ab und landeten hart. Ich schrie auf. Meine ganze linke Seite schmerzte rasend.
Leon erschrak. Ich musste ihm die Wahrheit sagen und erzählte ihm, wo ich die gestrige Nacht verbracht hatte. Er fuhr erheblich langsamer und verwandelte sich in meinen Makler. Er half mir die Treppe zum ersten Objekt hinauf, einer heruntergekommen Wohnung, von deren Teppich ein unverkennbarer Geruch nach Katzenurin aufstieg. Leon sagte dem Vermieter, er solle sich schämen, die Wohnung in einem solchen Zustand anzubieten.
Die zweite Wohnung war in einem Loft im vierten Stock, fast hätte ich es nicht die Treppe hinauf geschafft. Kein Aufzug. Und die Heizung war nicht der Rede wert. Leon dankte dem Verwalter höflich.
Das nächste Loft war im dritten Stock, aber das Haus verfügte über einen schönen, sauberen Aufzug. Es lag an der Wyoming Avenue, einer hübschen, schattigen Straße, die von der Conneticut Avenue abging. Die Miete betrug fünfhundertfünfzig pro Monat, und ich hatte praktisch schon zugesagt, bevor ich die Wohnung überhaupt gesehen hatte. Ich baute rapide ab, dachte immer öfter an die Schmerztabletten, die ich zu Hause gelassen hatte, und hätte jede halbwegs akzeptable Wohnung genommen.
Drei winzige Zimmer in einem Dachgeschoss mit schrägen Wänden, ein Badezimmer mit anscheinend funktionierenden sanitären Anlagen, saubere Fußböden und so etwas wie eine Aussicht auf die Straße.
»Wir nehmen sie«, sagte Leon zum Vermieter. Ich lehnte an einem Türrahmen und war kurz davor zusammenzubrechen. In einem kleinen Zimmer im Untergeschoss überflog ich den Mietvertrag, unterschrieb ihn und stellte einen Scheck über die Kaution und die erste Monatsmiete aus.
Ich hatte Claire gesagt, ich würde bis zum Wochenende ausgezogen sein, und war entschlossen, diese Ankündigung wahr zumachen.
Wenn Leon sich wunderte, wieso ich vom schicken Georgetown in ein Drei-Zimmer-Loch in Adams-Morgan zog, so ließ er sich nichts anmerken. Dazu war er zu professionell. Er brachte mich nach Hause und wartete im Wagen, während ich meine Tabletten nahm und ein kleines Nickerchen machte.
Irgendwo im Schmerztablettennebel läutete ein Telefon. Ich stolperte umher, fand den Apparat und murmelte: »Hallo?«
»Ich dachte, Sie wären im Krankenhaus«, sagte Rudolph.
Ich hörte seine Stimme und erkannte sie auch, doch der Nebel lichtete sich nur langsam. »War ich auch«, sagte ich. »Jetzt nicht mehr. Was wollen Sie?«
»Wir haben Sie heute Nachmittag vermisst.«
Ach ja. Die Torte und der Punsch. »Bitte vielmals um Entschuldigung, Rudolph.
Ich hatte nicht vor, einen Autounfall zu haben.«
»Eine Menge Leute wollten sich von Ihnen verabschieden.«
»Sie können mir ja eine Karte schreiben. Sagen Sie ihnen, sie sollen mir faxen.«
»Es geht Ihnen nicht besonders gut, nicht?«
»Genau. Ich fühle mich, als hätte ich einen Autounfall gehabt.«
»Hat man Ihnen Schmerztabletten gegeben?«
»Wieso interessiert Sie das?«
»Entschuldigung. Übrigens war Braden Chance vor einer Stunde bei mir. Er wollte Sie unbedingt sprechen. Eigenartig, nicht?«
Der Nebel lichtete sich - mein Kopf war schon viel klarer. »Weswegen wollte er mich sprechen?«
»Das hat er nicht gesagt. Aber er sucht Sie.«
»Sagen Sie ihm, ich bin ausgeschieden.«
»Das habe ich. Tut mir leid, dass ich Sie gestört habe. Schauen Sie doch mal wieder vorbei. Sie haben hier immer noch Freunde.«
»Danke, Rudolph.«
Ich steckte die Schmerztabletten ein. Leon schlief im Wagen. Als wir losfuhren, rief ich Mordecai an. Er hatte den Unfallbericht ausfindig gemacht, und dort war vermerkt, dass mein Wagen von einer Firma namens Hundley Towing abgeschleppt worden war. Bei Hundley Towing hatte er den Anrufbeantworter erreicht. Die Straßen waren glatt, es gab jede Menge Unfälle, und wer einen Abschleppwagen besaß, hatte viel zu tun. Gegen drei hatte sich schließlich ein Mechaniker gemeldet, der ihm jedoch nicht hatte weiterhelfen können.
Leon fand die Firma an der Rhode Island Avenue in der Nähe der 7th Street. In besseren Tagen war hier einmal eine
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