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Der Verrat

Der Verrat

Titel: Der Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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dem Aufnahmeraum.
    »Bei Besitz von Waffen oder Drogen wird ein lebenslanges Hausverbot ausgesprochen«, sagte Mordecai, während wir zusahen, wie die Männer zum Ausgang strömten. Ich fühlte mich ein wenig sicherer.
    »Werden Sie hier drinnen nicht manchmal nervös?« fragte ich ihn.
    »Man gewöhnt sich daran.« Er hatte leicht reden - schließlich beherrschte er die Sprache.
    An einem Klemmbrett neben der Tür hing eine Anmeldeliste für die Rechtsberatung. Mordecai und ich studierten die Namen unserer Mandanten.
    Bislang waren es dreizehn. »Etwas unter dem Durchschnitt«, sagte er. Während wir auf den Schlüssel warteten, gab er mir eine kleine Einführung. »Da drüben ist die Poststelle. Zu unseren frustrierenderen Aufgaben gehört es, den Kontakt mit unseren Mandanten zu halten. Adressen wechseln häufig. In den guten Unterkünften dürfen die Leute Post schicken und empfangen.« Er deutete auf eine andere Tür in der Nähe. »Das ist die Kleiderkammer. Jede Woche werden hier dreißig bis vierzig neue Männer aufgenommen. Der erste Schritt ist eine medizinische Untersuchung - im Augenblick ist Tuberkulose die größte Gefahr.
    Die zweite Station ist die Kleiderkammer, wo man drei Garnituren Unterwäsche, Socken und übrige Kleidung bekommt. Einmal im Monat kann man sich einen neuen Anzug abholen, so dass man am Ende des Jahres eine anständige Garderobe hat. Und zwar keine alten, abgetragenen Sachen. Die Leute hier bekommen mehr Kleiderspenden, als sie je verwenden können.«
    »Ein Jahr?«
    »Ja, nach einem Jahr müssen sie das Haus verlassen. Auf den ersten Blick erscheint das vielleicht hart, aber das ist es nicht. Das Ziel heißt Selbständigkeit. Wenn ein Mann hier aufgenommen wird, weiß er, dass er ein Jahr Zeit hat, seine Sucht loszuwerden, ein paar Fertigkeiten zu erlernen und einen Job zu finden. Die meisten gehen, bevor das Jahr um ist. Ein paar würden am liebsten für immer bleiben.«
    Ein Mann namens Ernie erschien mit einem beeindruckenden Schlüsselbund. Er schloss die Tür zum Beratungsraum auf und verschwand wieder. Wir rückten ein paar Tische zurecht und waren bereit, juristischen Beistand zu leisten. Mordecai ging mit dem Klemmbrett zur Tür und rief unseren ersten Mandanten auf: »Luther Williams.«
    Luther passte kaum durch die Tür, und der Stuhl ächzte, als er sich darauf niederließ. Er trug einen grünen Arbeitsanzug, weiße Socken und orangefarbene Gummisandalen und arbeitete in der Nachtschicht in einem Heizungskeller unter dem Pentagon. Seine Freundin hatte ihn verlassen, alles mitgenommen und jede Menge Schulden gemacht. Er hatte seine Wohnung verloren und schämte sich, in einer Obdachlosenunterkunft zu wohnen. »Ich brauch bloß ‘ne neue Chance«, sagte er. Er tat mir leid.
    Er hatte viele Schulden. Kreditagenturen waren hinter ihm her. Im Augenblick versteckte er sich beim CCNV.
    »Wir machen einen Offenbarungseid«, sagte Mordecai zu mir. Ich hatte keine Ahnung, wie man dabei vorging, und nickte stirnrunzelnd. Luther schien zufrieden. Zwanzig Minuten lang füllten wir Formulare aus, und dann verließ er uns als glücklicher Mann.
    Der nächste Mandant war Tommy. Er glitt elegant herein und streckte uns eine Hand entgegen, deren Fingernägel knallrot lackiert waren. Ich schüttelte sie, Mordecai nicht. Tommy machte eine stationäre Entziehungskur -Crack und Heroin -
    und hatte Steuerschulden. Er hatte seit drei Jahren keine Steuererklärung abgegeben, und das Finanzamt hatte dieses Versäumnis bemerkt. Außerdem schuldete er ein paar tausend Dollar Unterhaltszahlungen. Ich war einigermaßen erleichtert zu hören, dass er Vater war, jedenfalls so eine Art. Die Entziehungskur war intensiv - er verbrachte praktisch seine gesamte Zeit in der Klinik -, so dass an eine geregelte Arbeit nicht zu denken war.

    »Steuerschulden und Unterhaltszahlungen sind von einem Offenbarungseid nicht betroffen«, sagte Mordecai.
    »Tja, ich kann nicht arbeiten, weil ich einen Entzug mache, und wenn ich den abbreche, haue ich mir in Nullkommanichts wieder was rein. Wenn ich nicht arbeiten kann und keinen Offenbarungseid leisten kann, was kann ich denn dann tun?«
    »Nichts. Machen Sie sich keine weiteren Gedanken. Bringen Sie Ihren Entzug zu Ende und suchen Sie sich einen Job. Und dann setzen Sie sich mit meinem Kollegen Michael Brock in Verbindung.«
    Tommy lächelte, zwinkerte mir zu und schwebte hinaus.
    »Ich glaube, er mag Sie«, sagte Mordecai.
    Ernie brachte uns noch ein

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