Der Verrat
fuchtelte nun damit herum, als würde er ein winziges Schwert schwingen, während er auf seinen kurzen Beinchen mit unsicheren Schritten durch den Saal stolperte. Kichernd schaute Kikuko ihm zu und spendete Beifall.
»Euer Sohn ist ein prächtiger kleiner Kerl«, sagte Fürstin Yanagisawa mit der neuerlichen Andeutung eines Lächelns und bedachte Reiko mit einem unerwartet freundlichen Blick. »Ich hoffe, dem sōsakan-sama geht es gut?«
»Ja, danke«, erwiderte Reiko und fragte sich, wie viel die Fürstin über das Verhältnis ihres Mannes zu Sano wusste, die über Jahre hinweg erbitterte Feinde gewesen waren. Doch auch dieses Thema konnte Reiko nicht einfach zur Sprache bringen. Nachdenklich beobachtete sie die beiden lachenden, spielenden Kinder. »Seht nur«, sagte sie, »wie prächtig Kikuko und Masahiro miteinander auskommen.«
»Ich hoffe, das trifft bald auch auf uns zu. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir Freundinnen werden«, sagte Fürstin Yanagisawa und bedachte Reiko mit einem fragenden Blick.
Zuerst war Reiko sprachlos vor Erstaunen; dann aber wurde ihr klar, weshalb die Fürstin eine solche Hoffnung hegte: Diese wenig anziehende, unnahbar wirkende Frau eines so gefürchteten Mannes wie Yanagisawa musste sehr einsam sein – so einsam, dass sie sogar die Freundschaft der Gemahlin jenes Mannes suchte, der über Jahre hinweg der erbittertste Feind ihres eigenen Mannes gewesen war.
»Auch ich würde mich freuen, wenn wir Freundinnen werden könnten«, sagte Reiko; dennoch gemahnte eine innere Stimme sie zur Vorsicht.
Ein Lächeln erhellte die bleichen, ausdruckslosen Züge Fürstin Yanagisawas. »Darf ich Euch bald einmal besuchen kommen?«
»Es wäre eine große Ehre für mich. Und Masahiro würde sich freuen, Kikuko wiederzusehen«, entgegnete Reiko. Überdies hätte sie dann vielleicht Gelegenheit, ihre Neugier zu befriedigen, was diese Frau betraf.
Fürstin Yanagisawa neigte leicht den Kopf zur Seite – das Zeichen, dass sie dieses Gespräch als beendet betrachtete. Reiko zog sich mit einer höflichen Verbeugung zurück. Nachdem alle anwesenden Damen sich der Fürstin vorgestellt hatten, begannen die Musikanten wieder zu spielen, und die Feier nahm ihren Fortgang, doch der Mord an Fürst Mitsuyoshi und die Anwesenheit der Gemahlin des gefürchteten Kammerherrn dämpften die zuvor so heitere Atmosphäre. Die Frauen unterhielten sich mit leiser Stimme über Belanglosigkeiten; über den heiklen Mord wurde aus Furcht vor Yanagisawa und seinen Spitzeln kein Wort mehr gesprochen, denn jede unbedachte Bemerkung konnte schlimme Folgen haben, falls die Fürstin sie mitbekam und ihrem Gemahl davon erzählte.
Doch Fürstin Yanagisawa hatte wieder ihre unbeteiligte, undurchdringliche Miene aufgesetzt und sagte nur dann etwas, wenn jemand sie direkt ansprach; ansonsten zeigte sie an keiner Anwesenden das geringste Interesse. Sie wirkte wie eine einsame Insel inmitten der Menge. Schließlich erhob sie sich, rief nach ihrer Tochter und verließ den Saal, begleitet von den Verbeugungen der anwesenden Damen.
Kaum waren die beiden gegangen, wurden die Gespräche wieder lauter und angeregter und drehten sich um die Fürstin und deren Tochter, während Reiko ihren kleinen Sohn in die Arme nahm, der Kikuko traurige Blicke hinterherwarf.
Midori trat auf Reiko zu. »Wie es scheint, fühlt Fürstin Yanagisawa sich uns allen überlegen«, sagte sie. »Warum ist sie dann gekommen?«
»Ich glaube nicht, dass sie überheblich ist. Ich glaube eher, sie hat Gesellschaft gesucht, war aber zu scheu, aus sich herauszugehen und an der Feier teilzunehmen«, erwiderte Reiko und erzählte Midori, dass die Fürstin einen Besuch bei ihr angekündigt hatte.
»Findet Ihr sie denn nicht auch schrecklich langweilig? Wollt Ihr sie wirklich Wiedersehen?«
»Ich weiß es selbst nicht«, murmelte Reiko. »Vielleicht wäre es tatsächlich besser, auf eine nähere Bekanntschaft mit der Fürstin zu verzichten.« Reiko zögerte, in der Öffentlichkeit über eine solch heikle Angelegenheit zu reden, doch die anderen Frauen unterhielten sich nun wieder angeregt und schenkten ihr und Midori keine Aufmerksamkeit. »Weißt du, auch wenn zwischen Sano und Yanagisawa zurzeit Frieden herrscht«, flüsterte Reiko der Freundin zu, »traue ich keinem, der auf irgendeine Weise mit dem Kammerherrn zu tun hat, erst recht nicht seiner Frau. Außerdem würde es Sano wohl nicht gefallen, würde ich mich mit Fürstin Yanagisawa anfreunden.«
»Wieso
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