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Der Verrat

Der Verrat

Titel: Der Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rowland
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junges Mädchen an einen Bordellbesitzer verkauft, weil er nach einer Missernte ohne Geld dastand und seine jüngeren Kinder nicht mehr ernähren konnte.«
    Reiko dachte über diese Informationen nach, die Sano – so glaubte sie – am Tag zuvor in Yoshiwara erfahren hatte. »Dann hat Wisterie vermutlich keine Verwandten in Edo, die wir vernehmen könnten«, sagte sie schließlich. »Aber sie ist eine bekannte tayu , über die bestimmt viel geredet wird. Ich werde schon jemanden finden, der mir Näheres über sie erzählen kann.«
    Reiko umarmte Sano mit einer Innigkeit wie in den glücklichsten Tagen ihrer Ehe. »Ich werde dir helfen, diesen Fall zu lösen«, sagte sie, »und dann wird alles wieder so sein wie früher.«
    Sano hielt Reiko in den Armen und schwieg. Er hoffte, dass die schrecklichen Ereignisse ihres letzten Falles sich nicht wiederholten und dass Reiko vorerst nicht mehr über Wisterie erfahren musste, als für ihn, für sie selbst und für die Ermittlungen gut war.

6.

     
    J
    ungfräulicher Schnee bedeckte die leeren Straßen Edos. Die Läden vor den Fenstern der Gebäude waren geschlossen. Hunde streunten durch Seitengassen, in denen die Pfützen zu Eis gefroren, als die nächtliche Kälte zunahm. An den Ufern der Kanäle schliefen Bettler neben erloschenen, rauchenden Feuerstellen. Das Licht der Sterne schimmerte auf der langen Biegung des Flusses Sumida. Die Boote, die an den Anlegestellen festgemacht waren, standen starr und steif, als wären sie im Wasser festgefroren. Die Nacht und die Kälte hatten den größten Teil der Stadt gelähmt, doch in einigen abgelegenen Gassen des Händlerviertels Nihonbashi blühte das Leben in der Dunkelheit erst richtig auf.
    Ein heruntergekommenes Gebäude, das sich zwischen einem öffentlichen Badehaus und einer Nudelküche befand, beherbergte eine namenlose Spielhölle, in der sich Bauern und Städter, Händler und Samurai, Verbrecher mit tätowierten Armen und Oberkörpern, sogar mehrere Priester in safrangelben Gewändern drängten und ihr Glück beim Kartenspiel oder Würfeln versuchten. Rufe und Gelächter erfüllten die Spielhölle. Stapel von Münzen wechselten den Besitzer, und verschwitzte Hausmädchen in schlampiger Kleidung versorgten die Gäste mit Sake. Der Tabakrauch, der von den Pfeifen der Spieler aufstieg, machte die Luft zum Schneiden dick und erfüllte die Spielhölle mit einem stechend riechenden Nebel, der das Licht der Deckenlampen trübte.
    Hinter einem Türvorhang, in einem schummrigen Hinterzimmer der Spielhölle, saß Kurtisane Wisterie auf einer Strohmatratze. Sie trug ein blaues Kopftuch und einen Umhang, und ihre schönen Augen funkelten vor Angst in dem trüben Licht, das durch den Vorhang fiel. Sie schauderte, während sie dem Klimpern der Münzen und den rauen Stimmen der Männer in der angrenzenden Spielhölle lauschte. Bei jedem derben Fluch, bei jedem heftigen Wortwechsel zuckte sie zusammen. Ihr ängstlicher Blick glitt über den kahlen Holzfußboden, über die staubigen Regale, die Sakekrüge, die sich an den Wänden reihten, über das vergitterte Fenster.
    Ein Tag war vergangen, seit sie aus Yoshiwara geflohen war – nur um ein Gefängnis gegen ein anderes zu tauschen. Beinahe kam es ihr so vor, als wäre diese Pause zwischen ihrem alten Leben und dem Beginn einer neuen Existenz so schwer zu ertragen wie die Aussicht, noch Jahre im Bordell arbeiten zu müssen. Ungeduld erfasste sie, wuchs in ihrem Innern heran wie eine Dornenranke. Die Einsamkeit machte ihr Angst. Bei diesem Gedanken verzogen ihre sinnlichen Lippen sich zu einem spöttischen Lächeln. Wie oft hatte sie die Einsamkeit herbeigesehnt! Doch sie hatte nie bedacht, wie schutzlos sie dann war.
    Hinter dem Vorhang erschien die Gestalt eines Mannes, und Wisterie duckte sich rasch in eine Ecke des Zimmers. Augenblicke später flog der Vorhang zur Seite, und der Mann trat durch die Tür, ein großes, stoffumwickeltes Bündel in den Händen. Der Mann, in einen Umhang gekleidet, war klein und stämmig, mit breiten Schultern und mächtigen Armen; unter seiner Überhose zeichneten sich muskulöse Schenkel ab. Sein Hals war dick und kräftig, sein Gesicht kantig und von Falten durchzogen, und seine buschigen Brauen trafen über einer schmalen Nase zusammen. Das feste Kinn und die Kieferknochen waren wie gemeißelt, und sein Haar war auf dem Scheitel zu einem Knoten gebunden.
    »Das ist aber keine besonders herzliche Begrüßung«, sagte er und ging mit kraftvollen,

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