Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Verrat

Der Verrat

Titel: Der Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rowland
Vom Netzwerk:
ausgerechnet die Frau des Kammerherrn ihre Hilfe anbot. »Ich danke Euch sehr.«
    Als Reiko in der Tür stand und beobachtete, wie ihre Gäste in die Sänfte stiegen, fragte sie sich, ob eine Frau wie Fürstin Yanagisawa, die ein solch einsames, abgeschiedenes Leben führte, die so wenige Freunde hatte und so schweigsam und verschlossen war, ihr eine auch nur halbwegs brauchbare Information zukommen lassen konnte. Als die Sänfte sich entfernte, drehte Reiko sich seufzend um und ging zurück ins Kinderzimmer, wo sie Masahiro beim Spielen zuschaute, während sie darauf wartete, dass Sano nach Hause kam.

11.

     
    M
    usik und Lachen klangen über die Mauer hinweg und über das sumpfige Umland Yoshiwaras, das in tiefer Dunkelheit lag, während sich vor dem Tor eine Warteschlange später Besucher bildete. Währenddessen zog eine Prozession durch das Vergnügungsviertel. Laternenträger führten ein schüchternes Mädchen in einem prachtvollen Kimono durch die Straßen, gefolgt von Dienerinnen und einer neugierigen Menschenmenge, die der jungen Kurtisane bei ihrer ersten zeremoniellen Runde durch Yoshiwara zuschauen wollte. Weitere Zuschauer standen auf Balkonen und reckten die Hälse, während die Kurtisane an den Teehäusern Halt machte und ihre Dienste anbot.
    Hirata jedoch hatte keinen Blick für das Geschehen.
    Er ging die Nakanochō hinunter, wobei er fieberhaft nachdachte. Nach dem katastrophalen miai hatte er seine Eltern zu deren Haus im Wohnviertel der hatamoto begleitet, der Gefolgsleute des Shōgun, das sich nördlich vom Palasthügel befand. Hirata hatte versucht, in Ruhe mit ihnen darüber zu reden, was im Theater vorgefallen war. Doch alle Versuche, seine Eltern zu beschwichtigen und sie zu bewegen, trotz allem in die Ehe mit Midori einzuwilligen, waren gescheitert.
    »Fürst Niu ist ein abscheuliches Ungeheuer!«, hatte Hiratas Vater geschimpft. »Sprich in meiner Gegenwart nie wieder von ihm oder seiner Familie.«
    Hiratas Mutter hatte nur beipflichtend genickt.
    »Du hast wegen deiner närrischen Verliebtheit schon viel zu viel Zeit verschwendet«, hatte Hiratas Vater gesagt. »Kümmere dich lieber um die Arbeit und vergiss das Mädchen.«
    Dass eine Heirat nun unmöglich geworden war, hatte Hirata umso deutlicher gezeigt, wie tief seine Liebe zu Midori war. Doch so sehr er sich auch danach sehnte, sie wiederzusehen, und so sehr ihn schmerzte, nichts an der verzweifelten Lage ändern zu können – er musste wieder an die Arbeit und die Ermittlungen weiterführen. Er hatte seine Pflichten schon viel zu sehr vernachlässigt und durfte Sano nicht im Stich lassen.
    Doch als Hirata, vom schlechten Gewissen geplagt, in den Palast zurückgekehrt war, hatte er Sano dort nicht angetroffen und auch keinen der Ermittler, die Sano auf den Mordfall angesetzt hatte. Nach anfänglicher Unschlüssigkeit hatte Hirata beschlossen, sich nach Yoshiwara zu begeben, um dort an seine bisherigen Nachforschungen anzuknüpfen. Yoshiwara war ein Sammelplatz für Menschen aus der näheren und weiteren Umgebung Edos und deshalb eine nie versiegende Quelle an Neuigkeiten, die Hirata schon oft benutzt hatte, um Hinweise auf Verbrecher und Verbrechen zu bekommen – schon zu der Zeit, als er im Rang eines dōshin , eines Streifenbeamten, Polizeidienst geleistet hatte. Nun ging er über die Nakanochō, um Bekannte aufzusuchen, die ihm bereits in der Vergangenheit geholfen hatten.
    Aus einem der Teehäuser erklang lautes Trommeln. Hirata spähte durch die Türvorhänge und sah eine Gruppe von Männern, die im Kreis auf dem Boden knieten und im Rhythmus der Trommelschläge in die Hände klatschten. In der Mitte des Kreises vollführten drei junge Frauen, alle in rote Kimonos gekleidet, einen schnellen Tanz, den sie mit verführerischen Gesten begleiteten. Ihr verkrampftes Lächeln und die unbeholfenen Bewegungen ließen Hirata erkennen, dass diese drei Frauen keine Kurtisanen waren. Sie waren odoriko – Mädchen aus bürgerlichen Familien, deren Eltern sich das Geld vom Munde abgespart hatten, um ihnen Tanz- und Musikunterricht bezahlen zu können und die Mädchen später auftreten zu lassen, in der Hoffnung, dass ein junger Mann aus reicher Familie ein Auge auf sie warf und sie heiratete oder sie wenigstens als Sängerin und Tänzerin in seine Dienste nahm.
    Am Rand der kleinen Zuschauermenge entdeckte Hirata eine ältere Frau, die er auf Anhieb erkannte – eine Klatschbase, die ihre Nase in sämtliche Angelegenheiten in Yoshiwara

Weitere Kostenlose Bücher