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Der Verrat

Der Verrat

Titel: Der Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rowland
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mir bei der Arbeit helfen konnte. Bald stellte sich heraus, dass der Mann mich begehrte. Im Jahr darauf heirateten wir, und ich wurde die Hausherrin.«
    Sie lächelte unter Tränen, stolz auf ihren Aufstieg in Rang und Ansehen. Dann aber legte sich ein Ausdruck der Bitterkeit auf ihr Gesicht. »Doch ich hätte bemerken müssen, mit welchen Blicken Wisterie meinen Gemahl anschaute und wie er ihre Blicke erwiderte und dass er ihr Sachen kaufte und ihr mehr Aufmerksamkeit schenkte als mir. Aber ich schöpfte keinen Verdacht. Dann aber, eines Nachts, wurde ich von Geräuschen im Haus geweckt. Es waren Geräusche, wie sie nur aus unserem ehelichen Schlafgemach hätten kommen dürfen … Ihr wisst schon, was ich meine. Außerdem hatte mein Gemahl mir gesagt, dass er an diesem Tag bis spät in die Nacht arbeiten müsse. Deshalb glaubte ich zunächst, eines unserer Dienstmädchen hätte sich mit einem Mann ins Haus geschlichen. Ich bin aufgestanden, um das Mädchen und den Mann hinauszuwerfen.«
    »Dann aber bemerkte ich, dass die Geräusche aus Wisteries Zimmer kamen. Ich schaute hinein. Und da sah ich sie. Sie lagen zusammen im Bett – Wisterie und mein Gemahl!« Wut und Enttäuschung spiegelten sich in Frau Yues Augen. »Ich packte den Kerl, zerrte ihn von Wisterie fort, schlug auf ihn ein und rief: ›Bleib von meinem Mädchen weg, du Bestie!‹«
    Frau Yue verdeutlichte das Geschehen mit heftigen Gesten und stieß die Fäuste in die Luft. Reiko schauderte, als sie sich vorstellte, dass ein unschuldiges Mädchen vom Stiefvater missbraucht worden war.
    »Er stürzte zu Boden«, fuhr Frau Yue fort. »Ich eilte zu Wisterie und fragte besorgt: ›Ist dir etwas geschehen?‹ Dann aber ließ ihr Anblick mir das Blut in den Adern gefrieren. Ich hatte damit gerechnet, sie verängstigt und weinend vorzufinden. Doch splitternackt, wie sie war, stand sie auf und sah mich mit einem Ausdruck an, den ich nie vergessen werde.« Frau Yue erhob sich mit einer Miene grausamen Triumphs, als sie Wisteries Ausdruck nachzuahmen versuchte. »Sie sagte: ›Ich liebe ihn, Mutter. Und er liebt mich, nicht dich! Er hat dich nur geheiratet, um mich zu bekommen. Ich bin die Einzige, die er jemals wollte. Und jetzt, wo ich alt genug bin, wird er mich heiraten.‹«
    »Ich wollte meinen Ohren nicht trauen. Ich war dermaßen entsetzt, dass ich nur dastehen und Wisterie anstarren konnte.« Wieder verdeutlichte sie ihre Worte durch Mienen und Gesten. »Dann wandte Wisterie sich an meinen Gemahl. ›Sag ihr, dass es stimmt‹, forderte sie ihn auf. ›Sag ihr, dass du dich von ihr scheiden lässt, wie du es mir versprochen hast, damit wir heiraten können.‹«
    Als Reiko offenen Mundes lauschte, ohne Fragen zu stellen, fuhr Frau Yue fort: »Ich schaute meinen Gemahl an. ›Sie lügt, nicht wahr?‹, sagte ich zu ihm. ›Sag mir, dass sie lügt.‹ Aber er saß bloß da und ließ den Kopf hängen. Und da erkannte ich, dass Wisterie ihn verführt hatte, um ihn zu verleiten, mich zu betrügen. Ich ging auf sie los und rief: ›Du verderbte Schlampe! Wie kannst du es wagen, mir den Ehemann zu stehlen?‹ Ich schlug ihr ins Gesicht, zerrte sie am Haar, schleuderte sie zu Boden und trat nach ihr. Sie rief meinem Gemahl zu, ihr zu helfen, doch er rührte sich nicht von der Stelle, schaute nicht einmal zu uns herüber. Wisterie schrie und weinte, während ich sie verfluchte, schlug und trat, bis die Kräfte mich verließen. Danach saßen wir drei den Rest der Nacht schweigend in dem Gemach.«
    Frau Yue ließ sich auf die Knie sinken. Auf ihrem Gesicht lag ein hasserfüllter Ausdruck. Reiko stellte sich den von Schuld geplagten Mann, seine tobende Ehefrau und das weinende Mädchen bildhaft vor – Figuren in einem Theaterdrama.
    »Jetzt wisst Ihr, weshalb ich meine Tochter loswerden musste.« Frau Yue warf Reiko einen trotzigen Blick zu. »In Wahrheit wollte mein Gemahl sie gar nicht heiraten und mich hinauswerfen. Doch wäre Wisterie im Haus geblieben, hätte sie stets seine Begierde entfacht und nicht ich.« Bitterkeit schlich sich in ihre Stimme. »Aber es hätte nicht genügt, Wisterie bloß vor die Tür zu setzen. Sie wäre zurückgekommen und hätte meinen Gemahl überredet, sie wieder im Haus aufzunehmen. Außerdem hatte sie eine Bestrafung verdient.«
    »Als der Morgen kam, sagte ich den beiden, was wir tun würden. Wisterie flehte mich um Vergebung an, doch ich beachtete sie gar nicht. Dann brachte mein Gemahl uns in einer Fähre den Fluss hinauf nach

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